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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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mischte sich ein. »Und wo ist das? Wie wäre es, wenn Ihr uns endlich in Euer kleines Geheimnis einweihen würdet?«
    Wieder lächelte ibn-Marzuq, aber es lag keine Freude darin. »Welchen Nutzen hätte ich dann noch für Euch? Wer garantiert mir, dass Ihr nicht bei der nächsten Gelegenheit versucht,
den lästigen, alten ibn-Marzuq loszuwerden? Oder mir einen Dolch in den Rücken zu stoßen?«
    »Haltet Ihr mich wirklich für einen Mann, der zu so etwas fähig wäre?«, erwiderte Raoul ruhig.
    »Ihr vielleicht nicht …« Der Blick des Wesirs wanderte zu Jada, und der Rest blieb unausgesprochen.
    Das Feuer in ihren Augen war kalt wie ein Leuchten in tiefer See. »Wohin will al-Munahid?«, fragte sie leise und schneidend.
    Ibn-Marzuqs Gesicht zeigte keine Regung, während er ihrem Blick standhielt. Schließlich sagte er: »Zur Festung eines Mannes namens Ashwaq al-Tufail. Sie liegt über dem Euphrat, anderthalb Tagesritte östlich von Aleppo. Dort ist ein Gebirge, das …«
    »Ich weiß, wo das ist«, sagte Jada barsch, wandte sich ab und ging zu den Pferden.
    Sie stieg ohne ein weiteres Wort auf ihr Pferd auf und ritt los, sodass den beiden Männern nichts anderes übrig blieb, als ihr zu folgen. Raoul konnte mit ihrem scharfen Ritt mithalten, doch ibn-Marzuq, der sehr erschöpft war, fiel mehr und mehr zurück. Als sich das Wadi verbreiterte und sich wie ein gewaltiger Felstrichter zur Ebene hin öffnete, war von ihm nur noch eine Staubwolke zu sehen.
    Die Gegend war zu trocken für menschliche Siedlungen. Keine Spuren von Leben, so weit das Auge reichte, nicht einmal Rauch, der auf ein Dorf hingedeutet hätte. Zwischen kargen, langgezogenen Hügeln erstreckten sich sandige Flächen, von Steinen übersät. Unter der glühenden Sonne gediehen lediglich gelbliche Grasbüschel und magere Sträucher.
    Über den Hügeln flimmerte die Luft. In der Ferne sah Raoul ein Dromedar über dem Erdboden schweben, darauf einen Krieger mit einer blitzenden Lanze, an der ein Wimpel flatterte. Noch mehr Reiter erschienen aus dem Nichts, verharrten reglos auf dem Kamm, als warteten sie auf ein Zeichen zum Angriff.
Sie waren durchscheinend, Luftspiegelungen, eine Sinnestäuschung wie das Geisterheer im Amanusgebirge. Als Raoul darauf zuritt, begannen sie bereits zu verblassen. Die Träume der Djinn, so hatte Matteo sie genannt, und von Jada wusste Raoul, dass der Toskaner damit gar nicht so falsch lag: Djinn lösten die Erscheinungen aus, unwillentlich und nur, wenn bestimmte Umstände zusammentrafen. Es waren Bilder, die nur Menschen sehen konnten; für die Beduinen ein Zeichen, dass Djinn in der Nähe waren. Im Amanusgebirge war Jada keinen Steinwurf von ihnen entfernt gewesen, als sie das Geisterheer gesehen hatten.
    Jada hielt auf eine Schlucht in der Hügelkette zu, und der letzte Dromedarreiter verschwand.
     
    Auf der anderen Seite der Hügel fünf Meilen weiter südlich beobachtete Kadar al-Munahid ungeduldig, wie sich die geisterhaften Krieger in der Ferne langsam auflösten. Als nur noch flirrende Luft zu sehen war, fragte er die Männer ungehalten: »Können wir weiterreiten?«
    Alle bis auf Unardhu, der am wenigsten abergläubisch war, hatten die Erscheinung ehrfürchtig angestarrt. Jetzt wendeten sie ihre Pferde. Doch bevor sie losreiten konnten, sagte Bishr: »Es wäre besser, einen Bogen um diese Gegend zu machen.«
    Neuer Ärger regte sich in Kadar. »Das kostet uns nur Zeit. Die Ebene ist der kürzeste Weg zu al-Tufail.«
    »Bishr hat recht, aqid«, mischte Rafiq sich ein. »Es ist nicht gut, durch Djinnland zu reiten. Die Fata Morgana ist eine Warnung. Wer weiß, was sie tun, wenn wir nicht verschwinden. Vielleicht schicken sie einen Sandsturm.«
    »Ammenmärchen! Es gibt keine Djinn. Weder hier noch anderswo.«
    »Man kann sie nicht sehen«, erwiderte der Nubier. »Aber das heißt nicht, dass sie nicht da sind.«
    Viele seiner Männer nahmen die alten Geschichten für
bare Münze. Allerdings hätte Kadar nicht gedacht, dass ihr Aberglaube so stark ausgeprägt war. Langsam ritt er zu dem schwarzhäutigen Krieger. »Vor wem hast du mehr Angst: vor den Djinn - oder vor mir?«, fragte er leise und schneidend.
    Rafiq entging nicht, dass Kadars Hand auf dem Schwertknauf lag. Er senkte den Blick und schwieg.
    Kadar sah in die Runde. »Wir bleiben auf diesem Weg. Und ich dulde keine weiteren Verzögerungen.« Er trieb sein Pferd an. Die Drohung hatte ihre Wirkung nicht verfehlt: Die Männer folgten ihm, und niemand redete

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