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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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den Wachposten zu umgehen?«, fragte er.
    »Nur, wenn wir die Pferde zurücklassen«, sagte Raoul. »Das Tal ist nicht groß. Der Hufschlag würde uns verraten.«
    »Das kostet zu viel Zeit«, erwiderte Jada. »Wir müssen ihn überwältigen.« Sie öffnete ihre Satteltasche und holte ein Seil heraus.
    Raoul ging davon aus, dass sie mit »wir« sich und ihn meinte, und folgte ihr. Seit zwei Tagen sprach sie nur das Nötigste mit ihm und mied seine Nähe. Er wollte sich nicht damit abfinden, dass es mit ihnen auf diese Weise endete. Aber was sollte er noch tun? Gegen das, was sie erlebt hatte, kam er nicht an. Jada war die erste Frau, die er wirklich liebte - und in wenigen Stunden würde sie aus seinem Leben verschwinden. Jetzt weißt du, wie sich all die Mädchen gefühlt haben, die du benutzt hast, dachte er. Gibt es dafür einen gerechteren Lohn?
    Auf dem Weg ins Tal gab es kein aufmunterndes Zulächeln, kein gegenseitiges Bitten, vorsichtig zu sein. Sie waren wie zwei Kundschafter, die zum gleichen Heer gehörten, voneinander aber nicht mehr wussten als den Namen.
    Raoul ging voraus; Jada blieb dicht hinter ihm. Nicht zum ersten Mal fiel ihm auf, wie geschickt sie darin war, nicht gesehen
zu werden. Das beherrschten alle Djinn, hatte sie ihm in ihrer kurzen glücklichen Zeit erklärt. Ihr Volk hatte schmerzhaft lernen müssen, dass es besser war, niemals einem Menschen zu begegnen.
    Hinter der niedrigen Mauer blieb Jada zurück. Raoul lief geduckt von Versteck zu Versteck, bis er sich im Rücken des Beduinen befand. Auf sein Zeichen hin stand Jada auf und ging auf den Dorfplatz zu. Mit einem erschrockenen Keuchen fuhr der Beduine auf, ließ die Reitdecke fallen und zog sein Messer. Doch Raoul presste ihm schon von hinten die Hand auf den Mund und warf ihn zu Boden. Eine kurze Rangelei, dann hatte er den schmächtigen Mann unter sich begraben und hieb dessen Hand so lange auf den Boden, bis sie das Messer freigab. Erst als er sich mit gespreizten Knien auf den Beduinen setzte, bemerkte er, dass sein Gegner ein Junge von höchstens sechzehn Jahren war, der ihn voller Entsetzen anstarrte.
    Jada kam mit dem Seil und half Raoul, ihn zu fesseln. Der Junge wehrte sich nicht und gab stockend Antwort, als Jada ihm auf Arabisch Fragen stellte.
    »Was sagt er?«, fragte Raoul.
    »Ich hatte recht. Al-Munahid hat sich bei einem Beduinenstamm Hilfe geholt. Acht Männer insgesamt. Sie haben sich vor gut einer Stunde zur Festung aufgemacht.« Jada knebelte den Beduinen mit einem Tuch und half Raoul, ihn in eine der Ruinen zu tragen; dann schnitt sie die Pferde und Dromedare von den Pflöcken, damit al-Munahid aufgehalten wurde, falls es zu einer Verfolgungsjagd kam.
    Kurz darauf saßen sie alle drei wieder auf ihren Pferden und galoppierten durch das trockene Bachbett bergauf. Als sie die Festung wenig später erreichten, stellte Raoul fest, dass sie so klein war, wie es vom Euphrattal aus den Anschein gehabt hatte. Das Tor war verschlossen.
    Sie stiegen ab. Ihr Plan reichte nur bis zu diesem Moment, da weder Raoul noch Jada noch der Wesir wussten, was sie von
da an erwartete. Jetzt konnten sie nur noch darauf hoffen, dass das Glück ihnen gewogen war.
    Ibn-Marzuq trat neben Raoul, die Zügel seines Pferdes in der Hand. Bekümmert blickte er zu den Zinnen hinauf. »Die Beduinen kämpfen sicher nur so lange für al-Munahid, bis die Festung genommen ist. Wir sollten warten, bis sie wieder fort sind. Gegen ein Dutzend oder mehr Krieger können wir nichts ausrichten.«
    Jada legte ihren Zeigefinger auf die Lippen und beobachtete den Turm, der rechts vor ihnen aufragte. Raoul hörte es auch: leise Kampfgeräusche, Geschrei und Waffengeklirr, die aus einem höheren Geschoss kamen. Der Rest der Festung schien vollkommen still zu sein; nirgendwo war eine Menschenseele zu sehen.
    »Solange sie kämpfen, sind sie abgelenkt«, erwiderte Raoul und öffnete seine Satteltasche. Nachdem ibn-Marzuq das Ziel ihrer Reise preisgegeben hatte, hatte Raoul sich bei einem Schmied in einem der wenigen Dörfer unterwegs ein Eisen machen lassen, das an einem Ende wie ein Ring und am anderen wie eine Kralle geformt war. Er befestigte das Eisen an seinem Seil, ließ es seitlich in der Luft kreisen und warf es zur Mauer hinauf, wo es sich zwischen den Zinnen verkeilte. Dann prüfte er die Festigkeit des Seils mit einem kräftigen Ruck. Als es nicht nachgab, kletterte er hinauf. Es war mühsam, da er in den Fugen kaum mit den Stiefelsohlen Halt fand. Oben

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