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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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langsam durch das Gemach. Bewegungen, die ihm wegen Taubheit und Lähmung der Glieder
große Mühe bereitet hatten, führte er mit Bedacht aus. In einer Obstschale fand er getrocknete Feigen und schob sich eine in den Mund. Er kaute mit geschlossenen Augen, überwältigt vom Geschmack der Frucht, den sein schwärender Gaumen so viele Jahre nicht hatte genießen können. Dann ging er zum Fenster und sog die kühle Luft ein, ohne dass ihm die Schmerzen im Rachen jeden Atemzug zur Qual machten. Kadar schaute zu, wie al-Tufail weinte, weil er sein Leben zurückbekommen hatte, und empfand nur Verachtung für die magere Gestalt in den schmutzstarrenden Lumpen.
    Der alte Mann wandte sich um, schleppte sich zu Kadar und fiel auf die Knie. Seine knochigen Finger fanden Kadars Hände, und er sah zu ihm auf. »Ich danke dir«, flüsterte er. »Nenne mir deinen Lohn. Du sollst alles bekommen, was du willst.«
    »Ich habe schon alles, was du besitzt«, erwiderte Kadar sanft.
    Verwirrung erschien in al-Tufails Augen. »Wie meinst du das?«
    Kadar dachte an Nadirah und ihre Geschichte in dem dunklen Kamelhaarzelt, er dachte an die Trommeln, die Feuer und seinen Vater, der über die Kunst des Schwerttänzers staunte. Von plötzlichem Ekel ergriffen rammte er al-Tufail das Knie unter das Kinn und trat nach, sodass der Edle in die Lumpen auf dem Boden fiel. Stöhnend blieb er liegen. Kadar griff sich das Obstmesser neben der Schale mit den Feigen und stellte dem alten Mann einen Fuß auf die Brust, bevor dieser sich wieder aufrichten konnte.
    Al-Tufail hustete, und ein paar Blutströpfchen verfingen sich in seinem Bart. Als er den Kopf hob und sprach, war seine Stimme schwach von den Nachwirkungen des Schlages, aber frei von Furcht. Er war immer noch ein Krieger. »Was willst du?«
    Der alte Mann hatte zu große Schmerzen, um aufzustehen. Kadar gab ihn frei und kniete sich neben ihn. »An meinem
glücklichsten Tag bist du zu mir gekommen«, sagte er leise. »An deinem glücklichsten Tag bin ich bei dir.«
    »Ich … erinnere mich nicht an dich.«
    »Das wirst du bald«, versprach Kadar.
    Es dauerte nicht lange, da wimmerte al-Tufail einen vergessen geglaubten Namen.

SIEBENUNDZWANZIG
     
     
    S ie waren die Nacht durchgeritten, immer entlang des Euphrats und so zügig, wie es die Dunkelheit und die holprigen, selten benutzten Wege zuließen. Jada kannte die Lage von Ashwaq al-Tufails Festung, sodass es nicht nötig gewesen war, die Söldner, die sie vor zwei Tagen eingeholt hatten, über die Ebene zu verfolgen und Gefahr zu laufen, entdeckt zu werden.
    Beim ersten Licht des Tages kam die Festung in Sicht: Drei Türme umstanden einen Kuppelbau und waren so unauffällig in die Hügel eingebettet, dass sie wieder zwischen den Felsen verschwanden, als die drei Reiter sich ihnen näherten. Sie umrundeten die Anhöhe, die vom Fluss aus zu steil anstieg, und folgten auf der anderen Seite einem engen Tal, dessen Boden von Pferdehufen zertrampelt war. Wagengroße Felsbrocken auf dem Pfad zwangen sie, Schritt zu reiten. Das Strauchwerk, das sich an der Felswand festklammerte, war vertrocknet und tot, und Raoul konnte weder Vögel noch andere Tiere entdecken. Er fragte sich, was für ein Mann al-Tufail sein mochte, dass er sich in diese Gegend zurückgezogen hatte.
    Vor einer Wegbiegung zügelte er jäh sein Pferd.
    Jada hielt neben ihm an. »Was ist?«
    »Da war ein Geräusch - ein Wiehern, glaube ich.« Raoul stieg ab. »Wartet hier.« Er lief zur Wegbiegung, nach der sich die Schlucht in ein kesselförmiges Tal öffnete. In Bogenschussweite stand ein Dutzend Häuser, leere, zerfallene Ruinen, denen die Dächer fehlten. Auf dem Dorfplatz waren Pferde angepflockt, aber im Dämmerlicht konnte er keine Einzelheiten erkennen.

    Im Schutz der Felsen hastete er zur Talsohle und verbarg sich hinter den Resten einer Mauer.
    Raoul hatte sechs Pferde und einen Söldner erwartet, der sie bewachte. Stattdessen sah er sechs Pferde, acht Tiere, die Dromedare genannt wurden, und einen jungen Beduinen, der an einer Mauer hockte und eine Reitdecke flickte. Raoul stieß einen leisen Fluch aus. Er wartete eine Weile, und als sich nichts weiter rührte, schlich er leise zu den anderen zurück.
    »Dromedare«, wiederholte Jada. »Das kann nur bedeuten, dass al-Munahid zur Verstärkung Beduinen angeworben hat.«
    Sie und ibn-Marzuq waren abgestiegen. Haltung und Mienenspiel des Wesirs deuteten auf seine Schmerzen vom langen Ritt hin. »Gibt es eine Möglichkeit,

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