Der Gesandte des Papstes
auf die Bank setzte. »Aber besser, ein Mann findet am Ende seines Lebens zu Gott als nie.« Er schloss die Augen und küsste ein kleines hölzernes Kreuz, das er sofort wieder im Kragen seiner Soutane verschwinden ließ.
»Warum sitzen wir hier, Eminenz?«, fragte Raoul.
»Langweile ich Euch?«
»Nein, verzeiht. Aber ich bin müde von der Reise. Wenn Ihr erlaubt, ziehe ich mich zurück. Ich möchte bei Anbruch des Tages auf dem Vatikanischen Hügel sein.«
»Ihr nehmt Eure Pilgerfahrt sehr ernst.«
»Natürlich.« Das Gespräch begann Raoul lästig zu werden.
Kardinal Morra bedachte ihn mit einem längeren Blick. »Ich könnte Eure Suche nach Vergebung etwas erleichtern.«
»Wie meint Ihr das?«
»Der Heilige Vater zählt mich zu seinen Vertrauten. Ich
könnte veranlassen, dass er Euch einen Sündenablass gewährt.«
Trotz der Müdigkeit erwachte Raouls Interesse. »Was verlangt Ihr dafür?«
Die Frage schien Morra zu amüsieren. »Kommt«, sagte er und stand auf. »Ich möchte Euch etwas zeigen.«
Morras Gemach war ein hohes Zimmer, dessen Fenster einen Blick auf das stahlblaue Band des Tiber gewährten. Offene Schränke aus dunklem Holz enthielten Dutzende von Büchern; es schienen mehr zu sein als in Blaises Haus. Zwei Truhen zwischen den Fenstern enthielten außerdem Aufzeichnungen; weitere Schriftstücke lagen auf einem großen Tisch. Der Rest des Zimmers war ebenso schlicht gehalten wie das ganze Haus. Der einzige Gegenstand, der aus der kargen Einrichtung herausstach, war ein goldenes Kreuz an der Wand. Es war der einzige Gegenstand, der einen Hinweis auf Morras Reichtum gab. Auf dem Tisch, in den Schränken und den Truhen herrschte ein ungeheures Durcheinander; offenbar gehörte der Kardinal zu jenen Männern, deren gepflegte Erscheinung sich nicht in ihrer persönlichen Umgebung widerspiegelte.
Es wurde allmählich dunkel. Kerzen erhellten das Zimmer. Morra bot Raoul einen der hohen Lehnstühle an, verschwand im Nebenraum und kam kurz darauf mit einer Schriftrolle zurück.
»Was wisst Ihr über Athanasios von Alexandria?«, fragte er, als er sich setzte.
»Ich höre diesen Namen zum ersten Mal«, antwortete Raoul.
Der Anflug eines Lächelns erschien auf dem breiten Gesicht des Kardinals. »Das glaube ich nicht. Nicht, wenn Ihr einen Hauslehrer hattet, der etwas taugte.«
»Ich fürchte, ich habe mich mehr für Bogenschießen als für Bücher interessiert, Eminenz.«
»Athanasios war nach der Christenverfolgung Bischof von Alexandria. Ihm verdanken wir die Vita Antonii. Die Lebensgeschichte des heiligen Antonius.«
Raoul schwieg. Er wartete darauf, dass sich endlich zeigte, worauf sein Gastgeber hinauswollte.
Morra legte eine Hand auf die Schriftrolle. »Dies ist der zweite Teil der Vita. Er galt fast tausend Jahre lang als verschollen, bis vor einigen Monaten das Original in den Besitz der Kirche gelangte. Der Heilige Vater wünscht, dass diese Kopie nach Jerusalem gebracht wird, zu einem Freund des Heiligen Stuhls. Einer meiner Leute ist damit beauftragt. Der Mann spricht vorzüglich Arabisch und kennt das Heilige Land, aber er ist nur ein Schreiber. Ich bezweifle, dass er den Gefahren einer solchen Reise gewachsen ist.«
»Ihr wollt, dass ich ihn begleite«, sagte Raoul langsam.
Der Kardinal nickte. »Gott hat Euch für diese Aufgabe nach Rom geschickt, Bazerat. Davon bin ich überzeugt. Ich habe um einen Ritter wie Euch gebetet.«
Unwillkürlich fragte Raoul sich, ob es vielleicht wirklich so war, wie Morra sagte. Möglicherweise hatten seine Krankheit, sein Selbsthass und seine Verzweiflung einzig und allein den Sinn gehabt, ihn nach Rom zu führen, damit er diese Aufgabe vollbrachte. Eine Reise ins Heilige Land im Dienst der Kirche - gäbe es eine würdigere Tat am Ende seines Lebens? Doch er zügelte seine innere Erregung und ließ sich nichts anmerken. Er musste mehr wissen. »Ihr habt Soldaten. Wieso schickt Ihr nicht einen von ihnen?«
Der Kardinal lehnte sich zurück. »Ihr wart doch Zeuge dieser jämmerlichen Darbietung heute. Francesco und seine Bande wären nicht einmal in der Lage, sich ohne Zwischenfälle ins eigene Schwert zu stürzen.« Er machte eine Pause. Als er weitersprach, war der verächtliche Tonfall verschwunden. »Außerdem gibt es noch eine andere Schwierigkeit. Der König von Frankreich lässt den Lateranpalast und die Häuser fast aller
Kardinäle bespitzeln. Seine Informanten kennen jeden einzelnen meiner Männer. Sie würden es sofort erfahren,
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