Der Gesandte des Papstes
Himmel über Kairo war von einem makellosen Azur. Es war sehr heiß, aber der künstliche Teich unterhalb der Balustrade
und die Dattelpalmen vor den Fenstern sorgten dafür, dass es in seinen Gemächern angenehm kühl blieb. Seine Sklaven hatten das Brunnenwasser parfümiert, und in den Zimmern roch es leicht und unaufdringlich nach Rosen. Es war ein guter Tag. Der Wesir dachte an das Gedicht, das er am Vormittag begonnen hatte. Es pries die Vielfalt der Kreaturen des Nildeltas und war recht viel versprechend; vielleicht würde er es heute Nacht beenden. Aber erst müsste er dafür sorgen, dass aus diesem guten Tag ein vollkommener werden würde.
Er schob das Pergament, das von der Reise über das Mittelmeer reichlich mitgenommen war, in den Ärmel seines Gewands aus indigofarbener Seide und machte sich auf den Weg zu den Gemächern des Sultans.
Es war früh am Abend, und die langen Flure der Zitadelle waren weitgehend menschenleer; die meisten Bewohner hielten sich draußen in den Gärten auf, wenn sie nicht schon längst zu ihren Häusern an der Küste geflohen waren, wo sich die Sommerhitze leichter ertragen ließ. Harun ibn-Marzuq war das nur recht. Er hatte nicht das geringste Verlangen, einem anderen Amtsträger zu begegnen, schon gar nicht diesem Schakal Abdul ed-Din. Ibn-Marzuq vermutete, dass ed-Din seit seiner Rückkehr aus Damaskus wieder gegen ihn intrigierte. Anders war seine Niederlage im Rat vor zwei Tagen nicht zu erklären. Dabei hatte er mit gutem Gold dafür gesorgt, dass sechs Wesire für seinen Vorschlag stimmen würden, die alte Moschee am Propheten-Tor abreißen zu lassen und an ihrer Stelle eine Karawanserei zu errichten. Doch war ed-Din offenbar noch ein wenig freigiebiger gewesen, denn plötzlich hatten sich vier der sechs daran erinnert, dass es kein anderer als der große Saladin gewesen sei, der einst den Bau der Moschee angeordnet hatte, und man könne doch unmöglich ein Gotteshaus dem Erdboden gleichmachen, das auf den strahlendsten aller Sultane zurückgehe - der bei allem Glanz selbstverständlich nicht ganz an den prächtigen an-Nasir Muhammad heranreiche, Allah
segne ihn viertausendfach. Diese Heuchler! Ihnen allein hatte er zu verdanken, dass er zur Zielscheibe des Zorns mehrerer einflussreicher Baumeister geworden war, weil er nun sein teuer erkauftes Versprechen nicht einhalten konnte. Es hatte ihn einen weiteren Teil seines rasant schrumpfenden Vermögens gekostet, die Herren wieder wohl gesonnen zu stimmen - alles nur wegen Abdul ed-Din.
Harun ibn-Marzuq verfluchte sich dafür, dass er versäumt hatte, die Abwesenheit seines alten Feindes zu nutzen, um seine eigene Position zu stärken. Unverzeihlicherweise hatte er sich wieder einmal ablenken lassen. Da war diese Tänzerin gewesen, schwarzhaarig, glutäugig, mit Glöckchen an der Hüfte, die klimperten wie ein Loblied an die Sünde …
Wie dem auch sei, jetzt hatte er den Brief aus Rom. Es war nur ein zerknittertes Stück Pergament, aber es stellte alles in den Schatten, was sich Abdul ed-Din einbildete, je geleistet zu haben.
Er eilte ins Freie und huschte entlang der Arkaden, die den inneren Garten begrenzten. Er wollte nicht gesehen werden. Ein Wesir auf dem Weg zum Sultan, obwohl keine Ratssitzung anstand - das gab sofort Gerüchte. Glücklicherweise hielt sich nur Jada bint-Ghassan im Garten auf. Wie jeden Tag stand sie an der gleichen Stelle auf der Wehrmauer und blickte in die Ferne, über das Nildelta zu den Sanddünen der Wüste, schweigend, reglos, das nachtschwarze Haar vom Wind liebkost. Ladschin, der frühere Sultan, hatte sie an den Hof geholt. Obwohl sie schon einige Jahre in der Zitadelle lebte, wusste im Grunde niemand, wer sie wirklich war. Sie hatte keinen Mann, keine Kinder, nicht einmal einen Diener. Verehrer hatte es genug gegeben - Jada bint-Ghassan war eine unfassbar schöne Frau -, aber sie hatte sie alle abgewiesen, bis schließlich niemand mehr versuchte, ihr den Hof zu machen. Sie gab sich als die letzte Prinzessin der Fatimiden aus, eine Nachfahrin des großen az-Zafir, doch Harun ibn-Marzuq glaubte eher, dass sie eine Betrügerin
war oder eine Verrückte. Eines Tages, so nahm er sich vor, würde er ihr Geheimnis ergründen.
Doch jetzt gab es weitaus wichtigere Dinge zu tun.
Ibn-Marzuq spürte, wie sein Atem schneller ging. Er war es nicht mehr gewohnt, längere Strecken zu Fuß und in Eile zurückzulegen; außerhalb der Zitadelle bewegte er sich nur noch in seiner Sänfte fort. Obendrein
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