Der Gesandte des Papstes
gelangweilt.«
»Keineswegs«, sagte Raoul. Er hatte gehofft, Morra erst morgen anzutreffen, wenn er ausgeruht und besserer Stimmung war. Doch sich jetzt zurückzuziehen, hätte seinen Gastgeber vor den Kopf gestoßen.
»Ich sehe, Marco hat Euch saubere Kleidung gebracht«, stellte Morra fest. »Hat er auch an das Bad und die Speisen gedacht?«
»Er hat es an nichts fehlen lassen.«
»Sehr gut. Marco ist ein anständiger Junge. Einer der wenigen, so scheint es, die sich noch die Mühe machen, meine Anweisungen ordentlich auszuführen.«
Francesco hatte seinen Helm unter den Arm geklemmt. Sein Gesicht war wie aus Stein gehauen.
»Lasst uns einige Schritte gehen«, sagte der Kardinal und wandte sich zu einem der Durchgänge.
»Erlaubt Ihr, dass ich mich zurückziehe?«, fragte Francesco steif.
»Tue, wonach auch immer dir der Sinn steht, Francesco, solange du mir nur aus den Augen gehst.«
Der Hauptmann wandte sich um und stolzierte davon.
»Ein unerträglicher Tölpel«, sagte Morra, als sie durch den Garten auf der anderen Seite des Durchgangs schlenderten. »Wenn er sich Mühe gibt, kann er gerade einmal seinen Namen schreiben. Eben genau das, was man von einem Sizilianer erwartet.«
Eine mit eisernen Spitzen besetzte Mauer umgab die Anlage, die Raoul ein wenig an einen Klostergarten erinnerte. Seine Schritte knirschten auf dem Kies des Pfads, der sich durch die Kräuter- und Blumenbeete wand. Bänke und Vogeltränken standen auf den Rasenflächen. Über den Dächern jenseits der Mauer sah er das Kolosseum. Wie im Haus war auch hier der Lärm der Stadt nur sehr gedämpft zu hören.
»Er ist recht jung für einen Hauptmann«, erwiderte Raoul mehr aus Höflichkeit denn aus wirklichem Interesse.
»Bis vor drei Monaten war er ein gewöhnlicher Soldat. Aber dann zog ein Großteil meiner Männer mit den päpstlichen Truppen in den Kampf gegen die Ketzer, und ich benötigte einen neuen Befehlshaber. Francesco war das kleinste Übel. Aber reden wir nicht mehr von ihm.« Der Kardinal sah Raoul an. »Ich habe mit meinem Stallmeister gesprochen. Er wird Euch morgen zu meinem Gestüt bringen, wo Ihr einen meiner Zuchthengste auswählen könnt.«
»Ich danke Euch, Eminenz.«
»Das ist das Mindeste, was ich tun kann, um Euren Verlust auszugleichen.«
»Da wäre noch etwas«, sagte Raoul. »In den Satteltaschen war meine Medizin. Ich fürchte, ich brauche bald Ersatz.«
»Natürlich«, entgegnete Morra. »Mein Leibarzt wird sich darum kümmern.«
Raoul nickte, und eine Weile gingen sie schweigend nebeneinanderher. Der Garten war größer, als es zunächst den Anschein gehabt hatte. Hinter einer mannshohen Rosenhecke befand sich ein sanft abfallender Hang, an dessen Fuß eine kleine Kapelle aus dunklen Steinen stand. Die Beete waren terrassenförmig angelegt. Das Kolosseum war jetzt besser zu sehen; wuchtig überragte es die verwinkelten rotbraunen Dächer. Das Gebrüll der Kutscher drang von der Straße herauf.
»Erlaubt Ihr mir eine Frage?«, sagte Morra.
»Gewiss.«
»Hat Euch Eure … Krankheit nach Rom geführt?«
»Ich will an den Gräbern der Apostel um Vergebung meiner Sünden bitten.«
Der Kardinal warf ihm von der Seite einen Blick zu. »Eine einfache Lungenschwäche hat noch keinen Mann zu einer Pilgerfahrt aufbrechen lassen.«
»Es ist mehr als das«, erwiderte Raoul. »Ein Geschwür in der Lunge.«
Morras Blick blieb noch einen Moment an ihm haften,
dann konzentrierte sich der Geistliche wieder auf den Weg. Er schwieg, was Raoul lieber war als Bemerkungen voller geheuchelter Anteilnahme, und sprach erst wieder, als sie die Kapelle aus rußigem Stein erreichten. »Hier«, sagte er, »der einzige Ort in ganz Rom, an dem ein Kardinal zur Ruhe kommen kann.« Morra entriegelte die Tür, die nicht ganz in die Maueröffnung passte. Die Luft drinnen war kühl und roch muffig. Raoul und der Kardinal bekreuzigten sich mit Weihwasser aus einem rissigen Alabasterbecken. Das Abendlicht fiel schräg durch eines der beiden Spitzbogenfenster auf eine Figur des heiligen Christopherus, die so weiß wie das Weihwasserbecken war. Eine Bank bot Platz für höchstens vier Personen. Raoul kniete neben Morra. Plötzlich ahnte er, dass der Kardinal ihn in einer bestimmten Absicht hergeführt hatte.
Nach einer Weile fragte Morra: »Seid Ihr ein gläubiger Mann, Bazerat?«
»Der nahende Tod kann alles aus einem Mann machen.« Nicht ohne Mühe erhob sich Morra. »Eine ehrliche Antwort«, sagte er ächzend, als er sich
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