Der Gesandte des Papstes
zu erwachen. Würgender Zorn packte ihn, und er riss den Kopf des Mannes an den Haaren nach hinten und richtete seine Schwertspitze auf die bloße Kehle. Nur der Adamsapfel bewegte sich, sonst blieb der Mann vollkommen reglos. Trockene Lippen öffneten sich und gaben ein geflüstertes Wort frei: Allah. Seine dunklen Augen blickten Raoul ruhig an.
Der Zorn verging so jäh, wie er gekommen war. Raoul ließ den Krieger los und trat einen Schritt zurück, entsetzt über sich selbst. Der Dunkelhäutige sprang daraufhin auf die Füße und verschwand im Dunkel des Flurs.
»Danke«, murmelte Gaspare schwer atmend.
Polternde Schritte ließen Raoul herumfahren. Battista kam die Treppe herauf, bewaffnet mit der Axt. »Die Tür, schnell!«, brüllte er.
Raoul setzte sich in Bewegung, aber er kam zu spät. Weitere Krieger stürmten ihm entgegen. Schwerter funkelten im Feuer, als die Männer Raoul, Gaspare und Battista angriffen. Es entbrannte ein Kampf, noch wilder, noch heftiger als der vorherige. Raouls Gegner war kleiner als er und schien unter seinem Panzerhemd recht dürr zu sein, aber schon sein erster Hieb verriet, dass er über außergewöhnliche Körperkräfte verfügte. Er hatte ein schmales Gesicht und leicht eingefallene Wangen,
schwarzes, straff nach hinten gebundenes Haar und nur noch ein Ohr. Vom anderen waren lediglich knorpelige Reste übrig. Die grauen Augen registrierten jede noch so kleine gegnerische Bewegung, und er führte sein gekrümmtes Schwert mit einer Genauigkeit, die alles übertraf, was Raoul je erlebt hatte.
Gaspare, Battista, die Schreie der Kämpfenden, das Klirren der Waffen, all das nahm Raoul nicht mehr wahr, denn seine Aufmerksamkeit gehörte allein diesem hageren Krieger und der silbrigen Klinge. Doch es half ihm nicht. Der erste Schlag ließ ihn taumeln, sodass er gegen das Geländer des Treppenabsatzes stieß. Holz knarrte und splitterte. Der zweite Hieb schlug ihm das Schwert aus der Hand.
Der dritte machte ihn leicht -, so leicht, dass er flog.
SECHS
I ch verlange, dass Ihr sie gehen lasst«, sagte Harun ibn-Marzuq scharf, während der Mongole den Gefangenen anbrüllte, sich nackt auszuziehen, und ihm dabei unter dem Johlen seiner Gefährten mit der Breitseite seiner Klinge auf die Waden schlug. Die wolfsähnlichen Hunde in der leeren Zisterne bellten wie tollwütig. Kadar al-Munahid saß mit untergeschlagenen Beinen auf der Mauer und fuhr sorgfältig mit dem geölten Wetzstein über sein Schwert, immer in Richtung vom Heft zur Spitze. Er hatte sein Panzerhemd gegen einen weißen Überwurf getauscht, der zu groß für seine magere Gestalt war.
»Wir haben drei Männer verloren«, erwiderte er ruhig, ohne aufzusehen. »Sie sind wütend. Lasst ihnen ihr Vergnügen.«
»Vergnügen?« Ibn-Marzuq schrie jetzt. »Sie sind nicht wegen ihres Vergnügens hier. Sie haben einen Auftrag, einen Auftrag des Sultans. Ich lasse nicht zu, dass sie ihn mit ihren Rachegelüsten gefährden.«
Al-Munahid sah ihn an, und ein dünnes Lächeln umspielte seine Lippen. »Bitte erklärt mir, wie sie unseren Auftrag hier gefährden könnten.« Er machte eine Geste, die die Ruine einschloss. Sie befanden sich in einer alten Omajjaden-Festung in den menschenleeren Hügeln hoch über dem Jordantal, meilenweit von jeder Siedlung entfernt. Obendrein war es tiefste Nacht. Ibn-Marzuq wusste, dass sein Argument lächerlich war. Aber er wollte nicht so leicht aufgeben.
»Wenigstens das Mädchen.«
»Nein«, sagte al-Munahid und führte wieder den Wetzstein über den Stahl.
Bei allen Propheten, es musste doch etwas geben, was er tun konnte! Hilfloser Zorn war ein Gefühl, das Harun ibn-Marzuq schon viele Jahre nicht mehr empfunden hatte.
Inzwischen stand der junge Venezianer splitternackt in der kalten Nachtluft, seine Männlichkeit war klein und verschrumpelt. Er weinte und flehte in gebrochenem Arabisch um sein Leben. Als der Mongole ihn packte, versuchte er sich zu wehren, aber er war der rohen Kraft des Mannes nicht gewachsen und fiel in die Zisterne. Er schrie auf, als sich die Hunde auf ihn stürzten. Der Mongole grinste und entblößte dabei eine gewaltige Zahnlücke. Er warf sein Messer in die Grube und nahm das Silber der Männer entgegen, die wetteten, wie viele Hunde der Venezianer tötete, bevor er zerfleischt wurde. Ibn-Marzuq konnte sich den Namen des Mongolen nicht merken - irgendetwas Unaussprechliches mit einem U am Anfang -, aber er war schon vor einiger Zeit zu dem Schluss gekommen,
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