Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
Vom Netzwerk:
zum anderen hatte ibn-Marzuq während der bisherigen Reise nicht die beste Figur gemacht. Als sie vor einer Woche von Kairo aufgebrochen waren, hatte er zum ersten Mal seit gut fünfzehn Jahren ein Pferd bestiegen, mit üblen Folgen
für sein Hinterteil. Alles war wund gerieben. Er hatte versucht, sich nichts anmerken zu lassen, aber es war den Männern nicht verborgen geblieben. Einen Wesir zu verspotten, wagten sie zwar nicht, aber er sah es in ihren Blicken.
    Noch eine Woche unter diesen Dummköpfen, und ich verliere den Verstand, dachte er, als er die Ruinen eines länglichen Gebäudes durchquerte. Hier wurden die Söldner gepflegt, die Verletzungen davongetragen hatten. Von den drei Gefallenen abgesehen, waren al-Munahids Schakale fast unversehrt aus dem Gefecht hervorgegangen. Nur hier und da gab es eine blutende Schnittwunde oder ein geprelltes Knie. Der Johanniter kümmerte sich um die vier Verletzten. Von allen Söldnern gab er ibn-Marzuq die meisten Rätsel auf: ein Deutscher mit schulterlangem, nussbraunem Haar, Bartstoppeln, einer kurzen Narbe, die sein Kinn zu spalten schien. Er sprach kaum ein Wort, lächelte aber stets. Nur al-Munahid wusste, warum der Mann von seinem Orden verstoßen worden war. Sein Name war Armin, aber alle nannten ihn nur »den Deutschen«. Er kämpfte wie ein Teufel und konnte es angeblich als Einziger mit al-Munahid aufnehmen. Bemerkenswert war sein Wissen über Heilkunst. Es reichte an das der besten Ärzte Kairos heran, obwohl sich seine Landsleute auf diesem Gebiet sonst nur durch ihre beeindruckende Rückständigkeit hervortaten.
    Er hob den Kopf und lächelte verschlagen. Ibn-Marzuq strafte ihn mit Nichtachtung. Kurz darauf erreichte er die Überreste eines Rundturms, wo er sein Lager aufgeschlagen hatte, weit weg von al-Munahids Schakalen. Das Bellen und die Schmerzensschreie hatten ein Ende gefunden, sodass er hoffen konnte, bald einzuschlafen. Langsam gewöhnte er sich daran, nichts als eine Reitdecke zwischen seinem geschundenen Gesäß und dem harten Untergrund zu haben. Auch die Salbe, die er vorsorglich mitgenommen hatte - und jeden Abend heimlich benutzte -, half allmählich.
    Doch er war noch zu aufgewühlt, um sich hinzulegen. Er
ging zu den hüfthohen Resten der Turmmauer und ließ seinen Blick über die schwarzen Hügel schweifen. Die Nacht war sternklar. Obwohl der Lauf des Jordans nicht weit entfernt war, hörte er kein Wasserrauschen, denn während des Sommers war der Fluss, die Schlagader Palästinas, nur ein Rinnsal.
    Viel war heute geschehen. Der Angriff auf Battistas Haus war besser verlaufen als erwartet. Ibn-Marzuq billigte Gewalt, wenn sie notwendig war und einem höheren Ziel diente. Um der Schriftrolle und der Briefe habhaft zu werden, mussten viele Bewohner der Karawanserei sterben - wenngleich er froh war, dass er das Gemetzel nicht hatte mit ansehen müssen. Er hatte weitab von dem Geschehen auf al-Munahid gewartet. Nicht notwendig dagegen war das, was die Söldner mit dem Gefangenen gemacht hatten und dem Mädchen früher oder später angetan hätten. Das war pure Grausamkeit, die Lust an den Qualen anderer. So etwas verabscheute er zutiefst.
    Keiner der Söldner hatte ihm sagen können, was mit Cristoforo Battista geschehen war. Nachdem al-Munahid die Schriftstücke an sich gebracht hatte, hatten sie sich zügig in die Hügel zurückgezogen und waren zu ihrem Lager in der Ruine geritten. Niemand hatte sich die Zeit genommen, die Leichen zu überprüfen. Ibn-Marzuq hoffte, dass Battista tot war, denn der Mann war ein brennender Fanatiker, der, wie er jetzt sicher wusste, für den Heiligen Stuhl arbeitete. Aber falls er wider Erwarten doch noch lebte, machte es keinen Unterschied. Was konnte Battista jetzt noch unternehmen?
    Ächzend ließ er sich auf dem Deckenlager nieder und holte die Schriftstücke aus seiner Satteltasche. Eine Kerze spendete ihm Licht. Er hatte das Bedürfnis zu lesen, sich in Geschriebenes zu vertiefen, so wie er es immer tat, wenn ihm die Schlechtigkeit der Welt zu nahe kam. Die beiden Briefe hatte er schon kurz nach ihrer Rückkehr studiert. Kardinal Morra machte es ihm wirklich einfach. Der erste Brief verwies darauf, dass der dritte Teil der Vita Antonii, in dem der genaue Aufbewahrungsort
des Stabes enthalten sein sollte, in Konstantinopel sei, in der Bibliothek von Kaiser Andronikos Palaiologos. Im zweiten Brief bat Morra den kaiserlichen Archivar, seinen Gesandten Zugang zu den Schriften zu gewähren. Zuerst war

Weitere Kostenlose Bücher