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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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dass er der Schlimmste der fünfzehnköpfigen Bande war. Und das hieß einiges.
    Die junge Frau trug ihr Nachtgewand, in dem sie al-Munahids Männer aus dem Bett gezerrt hatten, und war bildhübsch mit ihren langen schwarzen Haaren und den dunklen verweinten Augen anzusehen. Noch kauerte sie unbehelligt in einer Ecke des fackelbeleuchteten Hofs, aber das würde sich ändern, sowie der Kampf - falls man es überhaupt so nennen konnte - in der Zisterne zu Ende war. Ibn-Marzuq zwang sich zur Ruhe und wandte sich wieder zu al-Munahid um. Der Söldner hatte sein Schwert in die Scheide geschoben und zur Seite gelegt. Er zog den Pfropfen aus einem Weinschlauch und spritzte sich ungeniert einen roten Strahl in den Mund. Es stachelte ibn-Marzuqs Zorn an, dass dieser Mann hier etwas tun konnte, was er in Kairo nicht im Traum gewagt hätte.
    »Nehmt einen Schluck«, sagte al-Munahid.
    Ibn-Marzuq ignorierte den angebotenen Schlauch. »Das Mädchen wird unverzüglich freigelassen, oder ich unterrichte den Sultan davon.«

    Al-Munahid verschloss den Schlauch wieder. Ibn-Marzuq fiel nicht zum ersten Mal auf, dass er, im Gegensatz zu seinen Männern, Maß halten konnte. »Glaubt Ihr wirklich, der Sultan schert sich um eine Ungläubige?«
    »Ich werde ihm mitteilen, dass Ihr für den Auftrag ungeeignet seid.«
    »Und wer sucht dann den Stab? Ihr allein?« Wieder dieses dünne Lächeln.
    Ibn-Marzuq ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Jetzt wurde verhandelt. Damit kannte er sich aus. »Der Emir von Jerusalem hat genug Männer. Es wird ihm ein Vergnügen sein, mir eine Truppe oder zwei zur Verfügung zu stellen.« Das war eine Lüge, eine gefährliche dazu. Denn der Emir hatte in den letzten Monaten gezeigt, dass seine Treue zu Sultan an-Nasir wie die vieler anderer zu wünschen übrig ließ. Aber das waren Dinge, von denen ein Mann wie al-Munahid nichts wusste. Nichts wissen sollte.
    Die eisengrauen Augen in dem schmalen, bartlosen Gesicht starrten ibn-Marzuq an. In dem Blick lag weder Zorn noch Spott. Der Söldner schien abzuschätzen, wie ernst die Drohung war. »Rashid!«, rief er, an ibn-Marzuq vorbeischauend. »Komm her.«
    Der Söldner, der auf das Mädchen aufpasste, gehorchte. Er war Syrer wie sein Anführer, gedrungen, rotgesichtig vom Wein und dumm.
    »Niemand rührt die Frau an«, befahl ihm al-Munahid. »Niemand, hörst du? Wenn ich einen von euch dabei erwische, wie er an ihr herumfingert, schneide ich ihm eigenhändig den Schwanz ab. Verstanden?«
    »Aber warum?«, fragte Rashid enttäuscht. »Sie gehört uns. So war es immer -«
    »Weil ich es sage«, unterbrach al-Munahid ihn barsch. »Jetzt geh mir aus den Augen. Und glotz mich nicht an wie ein Schaf!«

    Rashid schlurfte wieder auf seinen Posten, der jetzt, ohne die Vorfreude, weit weniger reizvoll war. Einige der Männer an der Zisterne hatten die Unterhaltung verfolgt, und ihre Stimmung sank augenblicklich. Das Gebell der Hunde klang laut in der plötzlichen Stille. Das Mädchen schien nicht begriffen zu haben, was ihr erspart blieb, denn sie sah so verzweifelt aus wie zuvor.
    Kadar al-Munahid kümmerte sich nicht um die unzufriedenen Gesichter seiner Männer. Er rollte eine Decke auf den gesprungenen Steinplatten vor den Mauerresten aus. »Legt Euch schlafen«, sagte er zu ibn-Marzuq. »Wir brechen morgen bei Sonnenaufgang auf.« Mit einer zweiten deckte er sich zu; seine Satteltaschen benutzte er als Kopfkissen.
    Der Söldner hatte die Gabe, sowohl beim kleinsten Laut aufzuwachen als auch beim größten Lärm einschlafen zu können. Ibn-Marzuq vermutete, dass al-Munahid bereits schlief, als er die kurze Treppe auf der anderen Seite des Hofs hinaufging. Er zweifelte nicht daran, dass das Mädchen in Sicherheit war. Die Männer mochten allesamt Mörder und Vergewaltiger sein, aber das Wort ihres Anführers war für sie bindender als das des Sultans. Ihre Furcht vor al-Munahid brachte eine fast unheimliche Verehrung hervor, die ibn-Marzuq noch bei keinem Soldaten beobachtet hatte. Morgen würde er dafür sorgen, dass sie das Mädchen zu einem nahegelegenen Dorf brachten, von wo es sich mit einigen seiner Silbermünzen nach Jerusalem durchschlagen konnte. Der Sieg freute ihn, wenngleich er klein war. Er hatte sich damit einen Rest seiner Autorität bewahrt, die mit jeder Meile, die sie sich von Kairo entfernten, schrumpfte. Zum einen wussten die Söldner genau, dass der Einfluss des Sultans und somit auch seines Wesirs in dieser Wildnis kaum etwas bedeutete;

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