Der Gesandte des Papstes
den Husten zweifellos verschlimmert. Als Battista zur Treppe gehen wollte, sagte er: »Wartet. Ich begleite Euch.«
Der Venezianer blieb stehen und musterte ihn. »Ihr seid verletzt. Ihr werdet uns nur aufhalten.«
»Es geht schon. Ich kann reiten.«
Battista dachte darüber nach, dann nickte er. »In Jaffa nehmen wir ein Schiff. Während der Überfahrt könnt Ihr Euch ausruhen. Aber wenn sich Euer Zustand verschlimmert, vergeude ich keine Zeit damit, mich um Euch zu kümmern.«
»Ich komme schon zurecht«, erwiderte Raoul kühl.
»Dann packt Eure Sachen. In einer Stunde brechen wir auf.«
Sie nahmen die Straße Richtung Lydda, die in nordwestlicher Richtung von Jerusalem wegführte. Battista legte ein erbarmungsloses Tempo vor, sodass sie zur Mittagsstunde bereits ein Drittel des Weges hinter sich hatten. Raoul hatte keine Schwierigkeiten mitzuhalten, wenngleich ihm seine Kopfverletzung zu schaffen machte. Aber auf seiner Reise nach Rom hatte es Tage gegeben, an denen es ihm schlechter gegangen war und er trotzdem zwanzig Meilen zurückgelegt hatte.
Der Venezianer gönnte ihnen erst mittags eine Pause - weniger um sich und seine Begleiter zu schonen, sondern um die Pferde nicht der Hitze auszusetzen. Sie rasteten in einer unbewohnten Anlage am Wegesrand, ein von zerbröckelnden Mauern umgebenes Areal, in dessen Zentrum sich ein Brunnen befand. Wände und ein löchriges Dach aus trockenen, bleichen Ästen schützten den kreisrunden Schacht vor Staub und Sand. Gaspare pflockte die Pferde im Schatten zweier Dattelpalmen in einer Ecke des Hofs an, wo sich auch die steinerne Tränke befand. Dann ging er zum Brunnen und kam wenig später mit einem verbeulten, rostigen Kessel voller Wasser zurück. Er füllte die Tränke und nahm das restliche Wasser für ihre Schläuche. Raoul saß mit dem Rücken zur Mauer. Dankbar trank er. Das Wasser war zwar trüb, aber kühl.
Gaspare goss sich den Inhalt seines Schlauchs über Gesicht und Haare und setzte sich mit untergeschlagenen Beinen zu ihm. Seine schwarzen Locken glänzten wie geölt. »Das Einzige, was gegen die Hitze hilft«, sagte er grinsend.
Raoul wickelte vorsichtig seinen Verband ab, um die Platzwunde nicht wieder zu öffnen. Al-Munahids Schwert hatte ihn über der Schläfe getroffen, glücklicherweise mit der flachen Seite. Vom Sturz hatte er lediglich Prellungen an Schulter und Hüfte davongetragen. Er tränkte ein Tuch und rieb sich das getrocknete Blut von der Stirn.
»Warum tust du dir das an?«, fragte Gaspare. Der Kampf in Battistas Haus hatte eine Verbundenheit zwischen ihnen geschaffen,
daher hatten sie sich darauf geeinigt, auf die förmliche Anrede zu verzichten.
»Was meinst du?«
»Uns zu begleiten. Dein Auftrag war in Jerusalem zu Ende. Du könntest längst auf dem Rückweg nach Hause sein.«
Raoul goss Wasser über das Tuch und wrang es aus. Der Staub zwischen seinen Beinen färbte sich rotbraun. »Die Schriftrolle ist weg. Also ist meine Aufgabe noch nicht abgeschlossen.«
»Du hast getan, was Seine Eminenz dir aufgetragen hat. Dass sie gestohlen wurde, ist nicht deine Schuld.«
»Ich habe Morra mein Wort gegeben. Daran bin ich gebunden, bis die Vita wieder in Battistas Händen ist.« Raoul fühlte sich besiegt. So wollte er nicht heimkehren. Und es gab noch einen anderen Grund, einen, den er allerdings verschwieg: Er wollte wissen, was hier vor sich ging … was es mit dem Stab auf sich hatte. Warum Männer wie Battista und Kadar al-Munahid dafür töteten.
Gaspares Gesicht zeigte Unverständnis, dass jemand freiwillig solche Qualen und Gefahren auf sich nahm. Doch er schwieg und nahm noch einen Schluck aus dem Schlauch.
Raoul lehnte den Kopf an den Stein. Ein mehr als mannshoher Zacken der zerfallenen Mauer spendete ihnen Schatten. Das Fenster war ein rechteckiger heller Fleck auf dem Boden. Er blickte zu Battista, der sich ein Stück entfernt von ihnen gesetzt hatte, um in Ruhe beten zu können. Der Venezianer hatte die Hände im Schoß gefaltet, die Augen geschlossen und war völlig in sich versunken.
»Warum haben ihn die Söldner nicht getötet?«
»Er hatte Glück, auch wenn er es nicht so sieht. Nachdem al-Munahid die Vita und die Briefe genommen hatte, zog er sich mit seinen Männern zurück. Ich war geflohen, als die Übermacht zu groß wurde, und hatte mich versteckt. Battista konnte sie nicht verfolgen, denn er wurde heftig von seinem Gegner bedrängt. Als er den Mann erschlagen hatte, waren die anderen
schon fort.«
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