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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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Edelmann.
    »Ein Mann aus al-Munahids Truppe?«, fragte Raoul, während sie zum Tor zurückgingen.
    »Vielleicht ein Gelehrter, der sie begleitet. Ich bezweifle, dass auch nur einer von al-Munahids Schakalen fähig wäre, die
Vita zu lesen.« Mit der neu gewonnenen Zuversicht ging Battista so zügig, dass die anderen Mühe hatten, mit dem großen Mann Schritt zu halten. »Aber sie haben sie noch nicht, das ist das Wichtigste.«
    »Aber was nutzt das uns?«, erwiderte Gaspare. »Ein geheimer Ort, was für eine unheimlich genaue Auskunft. Gütiger Himmel, wir sind in der größten Stadt der Welt! Wie sollen wir hier etwas finden, das seit hundert Jahren verschollen ist?«
    »Ich kenne einen Mann, der uns vielleicht helfen kann«, sagte Battista.
     
    An einem kleinen Bootshafen am Nordufer der Stadt nahmen sie die Fähre nach Galata, einem Kastell auf der anderen Seite des Goldenen Horns, um das die genuesische Siedlung Pera gewachsen war. Die Sonne zwinkerte auf den Wellen, und Raoul konnte die mächtige Eisenkette dicht unter der Wasseroberfläche erkennen, die das Goldene Horn vom Bosporus trennte und für Schiffe sperrte. Die Winden befanden sich in gedrungenen, wehrhaften Türmen auf den salzverkrusteten Uferfelsen.
    Die Fähre bestand aus Fässern, die eine rechteckige Stehfläche trugen, und lief an einer kleineren Sperrkette entlang. Ein Ochse am anderen Ufer zog sie langsam zum Festland. Außer Raoul und seinen Gefährten befand sich noch eine Gruppe von genuesischen Händlern und Handwerkern, die sich lautstark und gut gelaunt unterhielten, an Bord. Wie alle Fremden waren auch die Genuesen seit der Rückeroberung Konstantinopels durch die Byzantiner nicht mehr gern gesehen, sodass sie die Stadt nur noch zum Arbeiten besuchten und sich dann wieder in ihre abgeschlossenen Viertel oder in außerhalb liegende Siedlungen zurückzogen.
    »Die Rovellis sind eine alte genuesische Familie«, erklärte Battista. »Aber sie haben sich schon vor über hundert Jahren in Konstantinopel niedergelassen. Der Handel mit den Kreuzfahrerstaaten
hat sie reich gemacht. Gregorio gehört zu den Gründern von Pera.«
    »Dient er der Kirche?«, fragte Raoul.
    Der Glanz in Battistas Augen wurde hart. »Gregorio? Nein. Der Mann ist weiter von Gott entfernt als ein Sarazene. Würde er in Rom leben, hätte er längst einen Ketzerprozess am Hals.«
    »Wieso sollte er uns helfen wollen, wenn er so wenig von der Kirche hält?«
    »Er schuldet mir seit vielen Jahren einen Gefallen.«
    Ein Ruck durchlief die Fähre, als sie am Anlegesteg anstieß. Der Fährmann und sein Gehilfe am Bootshafen vertäuten sie, sodass alle trockenen Fußes an Land gehen konnten. Das Ufer war nur ein schmaler, mit Bäumen bewachsener Streifen und wenigen Häusern; dahinter stieg es steil an. Das Kastell thronte auf einem Felsen über dem Goldenen Horn.
    Die lärmenden Genuesen verschwanden in einer Taverne. Battista bog in eine Straße ein, die sich im Schatten der Festung den Hang hinaufschlängelte. Im Gegensatz zu Konstantinopel war Pera eine junge, wachsende Stadt voller Wohlstand. Die Häuser waren in vorzüglichem Zustand, viele Menschen auf den Straßen trugen kostbare Kleidung, statt Ruinen sah Raoul neue Wohnhäuser, Markthallen und Werkstätten.
    Gregorio Rovellis Anwesen lag am Rand der Siedlung. Es war eine gelungene Mischung aus genuesischem und byzantinischem Stil. Eine niedrige Umfriedung schloss einen Garten mit Kirsch- und Olivenbäumen ein, in dessen Mitte ein hufförmiges Haus mit vergoldeter Kuppel stand. Marmorstatuen, Abbilder von Jupiter, Mars, Venus und anderen römischen Göttern, säumten den Weg zum Eingang, vor dem etwa zwanzig Menschen aufgeregt miteinander redeten.
    »Was ist da los?«, fragte Gaspare, als sie sich dem schmiedeeisernen Tor näherten.
    »Freunde von Rovelli, die sein neuestes ketzerisches Machwerk
erörtern«, sagte Battista mit verächtlichem Unterton. »Er war sich noch nie dafür zu schade, andere mit seinen blasphemischen Gedanken anzustecken.«
    »Nein, das glaube ich nicht«, sagte Raoul. Die Worte, die er aufgeschnappt hatte, »ermordet« und »Angriff«, deuteten nicht gerade auf ein philosophisches Streitgespräch hin. Von einer dunklen Ahnung erfüllt, öffnete er das Tor.
    Ein Mann löste sich von der Gruppe und kam ihnen entgegen. Er war mager und klein, hatte ein unauffälliges Gesicht, silbergraue Haare und trug ein schwarzes Gewand. Seine Augen waren verquollen, als hätte er geweint oder zu wenig

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