Der Gesandte des Papstes
hatte. Al-Munahids Vorsprung musste inzwischen so groß sein, dass er zwei Tage mühelos verschmerzen konnte. Doch Raoul verzichtete auf diesen Einwand, denn es wäre zwecklos gewesen. Battista dachte gar nicht daran, dass er scheitern könnte. Diese Möglichkeit existierte für ihn nicht. Er würde erst dann aufgeben, wenn er tot war.
Jada galoppierte die Straße entlang und trieb das Pferd weiter an, obwohl das Tier fast am Ende seiner Kräfte war. Tarsus war nicht mehr weit, vielleicht noch eine Wegstunde entfernt. Von der letzten Anhöhe hatte sie die Türme der kilikischen Stadt bereits sehen können. Sie musste es schaffen, bevor die Nacht hereinbrach und die Stadttore geschlossen wurden.
In zwei Tagen hatte sie das Küstenland zwischen dem Amanusgebirge und Tarsus durchquert. Ein Gewaltritt von hundert Meilen, dem ihr Pferd nicht gewachsen war. Sie bereute, dass sie es nicht schon früher gegen ein ausgeruhtes getauscht hatte. Aber in Mamistra hatte sie keine Zeit mit der Suche nach einem Pferdehändler und langwierigem Feilschen vergeuden wollen.
Diesen Fehler würde sie nicht wiederholen. Von jetzt an würde sie alle ein oder zwei Tage - je nachdem, wie viel das Gelände den Tieren abverlangte - das erschöpfte Pferd gegen ein neues tauschen. Es war schwierig, den Landweg nach Konstantinopel in der gleichen Zeit zurückzulegen wie ein Schiff den Seeweg - aber nicht unmöglich; Kurierreiter des Sultans oder des Basileus’ durchquerten Kleinasien in weniger als zwei Wochen. Doch wenn ihr Reittier unterwegs vor Erschöpfung zusammenbrach, womöglich viele Meilen von der nächsten Stadt entfernt, saß sie fest … und das Zepter war verloren.
Die Straße führte durch eine winzige Ansammlung von Häusern aus rußfarbenem Stein. Zwei Männer, der eine mit einem Maultier, der andere mit einem Karren, unterhielten sich und blockierten deshalb den Weg. Jada stieß einen Fluch hervor und riss an den Zügeln, um ihr Tempo zu verringern. Die Männer bemerkten sie gerade noch rechtzeitig und sprangen zur Seite. Jada jagte an ihnen vorbei, hörte, dass sie ihr Beschimpfungen nachriefen. Zwei Herzschläge später lag die Siedlung bereits hinter ihr.
In Jerusalem hatte sie geplant, ibn-Marzuq und die Söldner zu verfolgen, nicht ahnend, wo deren Ziel lag. Als sie in Jaffa ein Schiff bestiegen, hatte Jada schon befürchtet, ihre Reise wäre zu Ende. Für einen Augenblick spielte sie mit dem Gedanken, sich auf dem Schiff zu verstecken. Aber beim Anblick des Meeres jenseits der Hafenmauer packte sie das Entsetzen, wie immer. Das Schiff lief ohne sie aus, und wegen der vielen Soldaten wagte sie nicht, sich nach dem Zielhafen zu erkundigen. Wenn sie wenig später nicht Battista begegnet wäre, hätte sie aufgeben müssen.
Dass der Venezianer und seine Gefährten keine Hafenstadt betreten konnten, kam auch ihr zugute. So konnte sie die drei Männer verfolgen, ohne fürchten zu müssen, das Ziel aus den Augen zu verlieren. Als sie endlich in Kilikien ein Schiff fanden, hatte Jada längst erfahren, wo der dritte Teil der Vita versteckt
war: in Konstantinopel. Es war nicht leicht gewesen, an diese Nachricht heranzukommen. Abend für Abend hatte sie die Gefährten belauscht und dabei mehr als einmal ihre Entdeckung aufs Spiel gesetzt. Wäre einer der drei Beduine gewesen, hätte die Fata Morgana Jada gewiss verraten, und sie hätte dasselbe Schicksal erlitten wie ihre Mutter.
Als sie im letzten Licht des Tages über die Ebene jagte, vor ihr die mächtigen Mauern von Tarsus, dachte sie an das Zepter und an einen jungen Ritter, der so viel Leid auf sich nahm, um ein besserer Mann zu werden.
Wie vertraut ihr das war. Und wie sehr sie sich wünschte, es wäre nicht so.
ELF
D ie Sonne schien auf den Julianshafen, als sie von Bord der »Tríton« gingen. Möwen kreisten über dem Wald aus Masten und stießen herab, wenn von einem der Fischerboote Abfall ins Hafenbecken fiel. Im Schatten vor den Hafenbecken trugen Arbeiter einen lärmenden Wettstreit im Armdrücken aus.
Raoul und Gaspare warteten neben einem hölzernen Schiffskran auf Battista, der mit einer zerlumpten Gestalt redete. Der Bettler hatte keine Beine mehr, eine schmutzige Binde über einem Auge und kauerte in einem Karren vor einem leer stehenden Lagerhaus. Battista warf eine Kupfermünze in seinen rostigen Helm und ging zu den anderen zurück. »Er glaubt, dass er die Söldner vor ein paar Tagen gesehen hat. Aber er ist sich nicht sicher. Jeden Tag
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