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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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seinen Augen. Gaspare ließ den Balken fallen, als ihn der Rauch husten ließ. Raoul lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und schloss die Augen. Er war schlagartig so erschöpft, dass er sich kaum noch auf den Beinen halten konnte.
    Als er die Augen wieder öffnete, nahm er im wirbelnden Feuer eine Gestalt wahr. Langsam, anmutig durchschritt sie das Inferno, ein Schatten in dem Meer aus Rot und Orange: ein Engel, liebkost von den Flammen.
     
    Kadar al-Munahid war der Letzte, der den Tunnel verließ und die Schachttreppe hinaufhastete. Ibn-Marzuq und seine Schakale warteten auf ihn im Gewölbe unter dem Badehaus, im Licht zweier Fackeln: der erbärmliche Rest, der noch von seiner Kriegerschar übrig war. Unardhu, Najib, Uthman, Bishr, Rafiq, Saad, Abdul-Jabar, Armin und Akif, der Eunuch - das waren alle. Neun von zwanzig, die mit ihm von Kairo aufgebrochen
waren. Nicht einmal im Wadi al-Khazindas, wo er vor vier Jahren im Heer des Sultans gegen die gewaltige Streitmacht der Ilkhane gekämpft hatte, hatte er mehr Männer verloren. Battista war kein Mann - er war ein Teufel! Kadar dankte Allah, dass Akif den Venezianer in die Hölle geschickt hatte. Aber zu welchem Preis …
    Der beißende Rauch des Griechischen Feuers brannte ihm in Augen und Rachen. Der Zustand der Überlebenden ließ zu wünschen übrig; fast die Hälfte der Männer hatte leichte Verletzungen davongetragen. Aber schlimmer noch war das Entsetzen über den Hinterhalt, das ihnen in den Knochen saß. Sie alle waren hartgesottene Kämpfer, aber was gerade geschehen war, hatte keiner von ihnen je erlebt.
    Nur ibn-Marzuqs Erscheinung war genauso ordentlich und sauber wie vor dem Kampf, keine Schnittverletzungen, keine Prellungen, nur etwas Atemlosigkeit von der Flucht durch die Tunnel. Wenigstens hatte er die Schriftrolle. Er presste das Lederfutteral an seine Brust wie ein Neugeborenes. Wenn er das Schriftstück verloren hätte und alles umsonst gewesen wäre, dann, so dachte Kadar, hätte er den Wesir an Ort und Stelle umgebracht.
    Die Männer erwarteten seine Befehle.
    »Wir gehen zurück zur Taverne«, sagte er und wandte sich an seine drei besten Kämpfer. »Unardhu, Armin und Najib, ihr bleibt hier. Ich will, dass niemand den Turm lebend verlässt, habt ihr verstanden?«
    Armin und Unardhu, der Mongole, nickten. Nur in Najibs Gesicht regte sich Widerspruch.
    »Warum, aqid?«, fragte der Söldner. Najib war der jüngste der Männer, siebzehn Jahre alt, mit schwarzem, gelocktem Haar und einem zarten, bartlosen Gesicht, das jeden, der ihn nicht kannte, über seine Grausamkeit hinwegtäuschte. »Battista ist tot, und die anderen sind im Turm. Sie können nicht entkommen.«

    Kadar hatte beobachtet, wie das unlöschbare Feuer beide Zugänge versiegelte. Doch er wollte nichts dem Zufall überlassen. Nicht nach allem, was geschehen war. »Tut, was ich sage!«, erwiderte er harsch. »Ich erwarte euch bei Sonnenaufgang in der Taverne.«
     
    Die Flammen erloschen, als Jada bint-Ghassan aus dem Tunnel trat.
    »Beim heiligen Kreuz!«, flüsterte Gaspare mit vor Entsetzen geweiteten Augen.
    Hitze, Rauch und die Furcht vor dem verzehrenden Feuer hatten Raoul so sehr zugesetzt, dass er glaubte, seine Sinne spielten ihm einen Streich. Aber als er die Stimme hörte, wusste er, dass er sich die Gestalt nicht einbildete. Sie stand vor ihm in der Tunnelöffnung. Sie war wirklich.
    »Vorsicht«, rief sie, »das Gerüst! Es hält nicht mehr lange.«
    Raoul fürchtete, seine Beine würden unter ihm nachgeben, als er sich benommen in Bewegung setzte. Seine Gedanken vollführten einen wirren Reigen.
    »Nein!«, rief Gaspare. »Bleib hier! Sie ist kein Mensch. Sie ist …«
    Raoul packte ihn am Arm und zog ihn mit sich. Überrumpelt verstummte Gaspare und stolperte hinter ihm her. Jada bint-Ghassan war zurück in die Dunkelheit des Tunnels getaucht; Raoul sah sie nur noch schemenhaft.
    Über ihnen knarrte und ächzte das brennende Gebälk. Raoul hatte gehofft, in dem Gang würde sie Kühle empfangen, aber dort war es sogar noch heißer als im Turm. Mauern, Boden und Decke sonderten Hitze von solcher Kraft ab, dass es kaum möglich war zu atmen. Unter seinem Stiefel zerbrach etwas - der Arm einer verbrannten Leiche. Von Battista und den Söldnern waren nur noch schwarze, gekrümmte Überreste geblieben.
    Endlich erreichten sie den Versorgungstunnel. Auch dort
war es heiß und stickig, aber in einem erträglichen Maß, und Raouls Gedanken klärten sich etwas.
    Jada

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