Der Gesandte des Papstes
Ellen dicke Mauer getrieben worden war. Auf einer Bahre wurde eine verkohlte Leiche ins Freie gebracht.
Morra reckte den Kopf aus dem Fenster und befahl den Trägern, anzuhalten. Weiter vorne sah er noch mehr Leichen; sie lagen, mit Leinentüchern bedeckt, auf der Straße. Daneben türmten sich rußgeschwärzte und von großer Hitze verbogene Waffen und Rüstungen. Morra sah Säbel und spitz zulaufende Helme, wie Mamelucken sie trugen. Er stieg aus und winkte Simone, der mit den anderen Waffenknechten hinter der Sänfte hergegangen war, zu sich.
Sie näherten sich einem Mann, der neben einer der Leichen kniete und die Hände im Schoß gefaltet hielt.
»Was ist hier geschehen?«, fragte Morra.
Der Mann blickte auf. Er war schmächtig, etwa in Morras Alter und trug einen schwarzen, schmutzigen Rock. Seine Augen
waren vom Weinen gerötet. »Im Turm ist ein Feuer ausgebrochen«, antwortete er und starrte wieder auf die Umrisse des Körpers, die sich unter dem Tuch abzeichneten.
»Wer sind diese Toten?«
»Das hier ist mein Herr. Gregorio Rovelli. Die anderen sind Mameluckensöldner.«
Morra dachte an die Söldnertruppe aus Battistas Nachricht. »Habt Ihr etwas von einem Venezianer namens Cristoforo Battista gehört?«
»Er liegt da drüben.« Der Diener wies mit einer Kopfbewegung auf eine der Leichen. Die Form unter dem Tuch glich denen der anderen; die hünenhafte Gestalt war geschrumpft, als die Hitze alle Körpersäfte verdampft und das Fleisch in Schlacke verwandelt hatte.
Jähe Wut packte Morra. Battista war ein treuer Diener gewesen, vielleicht der treuste, den er je gehabt hatte. Der Verlust für die Christenheit war unermesslich. Seine Stimme klang hart, als er sagte: »Battista hatte zwei Begleiter. Einen Schreiber namens Gaspare und einen jungen Ritter aus Oberlothringen. Was ist aus ihnen geworden?«
Der Diener zögerte. Morra schien es, als habe er die Frage nicht verstanden. Er stand offenbar unter Schock. »Tot«, sagte er schließlich. »Verbrannt.«
»Erzählt mir alles.«
Ein misstrauischer Blick traf Morra. »Ich weiß nicht einmal, wer Ihr seid.«
»Ein Freund von Cristoforo. Wir waren zusammen in Akkon.«
Das schien dem Diener zu genügen. Stockend berichtete er, was sich im Turm ereignet hatte. Er erzählte es verworren und umständlich, sodass Morra mehrmals schier die Geduld verlor. Schließlich ergab sich doch noch ein Bild der Ereignisse.
Kadar al-Munahid war am Leben und besaß die Schriftrolle, und Gott allein wusste, wo er jetzt steckte.
Morra dankte dem Diener und ging zu Simone, der mit verschränkten Armen am Rand der Menschenmenge wartete. »Teile die Männer in Zweiergruppen auf«, befahl er dem bärtigen Hauptmann. »Jede Gruppe heuert einen Übersetzer an. Fragt an jedem Tor und in den Häfen nach einer Gruppe Mameluckensöldner. Findet heraus, wohin diese gottverdammten Heiden verschwunden sind.«
DREIZEHN
S ilberne Fische glitten wie pfeilschnelle Messer unter den Wellen dahin.
Harun ibn-Marzuq saß auf den Achternaufbauten, genoss die Sonne und war in den Anblick des Schwarms versunken, der die »Daimónion« seit dem Morgen begleitete. Ihn faszinierte, wie sich die Tiere, deren Zahl in die tausende ging, aufeinander abgestimmt bewegten, wie sie gleichzeitig nach links oder rechts schwammen, als gehorchten sie einem einzigen Willen. Es waren Wolfsbarsche, hatte er sich sagen lassen, armlange Tiere mit silbrigen Schuppen, die vorzüglich schmeckten. Der Kapitän hatte vier Exemplare fangen lassen, sie eigenhändig in Olivenöl gebraten, Fenchel und Pfeffer dazugegeben und gemeinsam mit ibn-Marzuq in seiner geräumigen Kajüte verzehrt.
Ibn-Marzuqs Stimmung hatte sich gebessert, seit sie die sterbende Stadt hinter sich gelassen hatten. Kapitän Hephaistion war ein Mann nach seinem Geschmack. Er hatte Manieren, verstand etwas von Dichtkunst und war einem guten Wein nicht abgeneigt. Seine Gesellschaft ließ ibn-Marzuq sogar über den durchdringenden Gestank hinwegsehen. Es stank nach den Exkrementen, dem Erbrochenen und altem Schweiß sowie den schwärenden Wunden der Rudersklaven. Die »Daimónion« war eine mittelgroße Galeere mit etwa fünfzig Sklaven, bei denen es sich um Mörder, Vergewaltiger und Kriegsgefangene handelte, welche die erbarmungsloseste aller Strafen verbüßten. Ibn-Marzuq war froh, dass ihm das geschlossene Ruderdeck den Anblick der ausgemergelten, geschundenen Körper ersparte; alles, was er vom Geschehen im Galeerenrumpf
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