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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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mehr als ein Sklave. Vergesst das niemals, al-Munahid. Ein Wort von mir, und der Sultan lässt ein Tor der Zitadelle mit Eurem Kopf schmücken.«
    »Der Sultan ist weit weg. Und Ihr seid ganz allein.« Al-Munahid griff hinter sich. Als die Hand wieder zum Vorschein kam, hielt sie ein Messer.
    »Was Ihr da tut, ist Hochverrat«, flüsterte ibn-Marzuq mit erstickter Stimme.
    »Die Schriftrolle.« Der Söldner kam ihm langsam näher. »Wo ist sie?«
    »Fort. Verbrannt. Genau wie die andere.«
    Die letzte Silbe war noch nicht verklungen, da schloss sich al-Munahids Hand um seine Kehle. Ibn-Marzuq schlug mit dem Rücken auf der Tischplatte auf, ruderte keuchend mit den Armen, dass die Pergamente zu Boden fielen.
    Er spürte die Messerspitze an seinem Hals. Al-Munahids hagerer Schädel mit dem straff zurückgebundenen ölschwarzen Haar war über ihm, die Lippen ein dünner Strich.
    »Es ist die Wahrheit«, krächzte ibn-Marzuq. »Ich schwöre es … bei allen Propheten. Ich habe sie verbrannt … bevor wir an Bord gegangen sind.«
    Der Söldner packte ihn am Kragen, schleuderte ihn herum. Die Luft entwich aus ibn-Marzuqs Lunge, als er hart auf dem
Boden aufprallte. Bohrender Schmerz pflanzte sich von seinem Hinterkopf bis in die Fingerspitzen fort.
    Al-Munahids Stiefel ruhte auf seinem Schlüsselbein.
    Ich ersticke. Allmächtiger … Ibn-Marzuq schloss die Augen. Sterne zerplatzten in der rot geäderten Finsternis.
    »Was hat es mit dem Stab auf sich, ibn-Marzuq?«
    Er rang so heftig um Atem, dass er unfähig war zu sprechen. Als der Söldner den Stiefel von seiner Brust nahm, sog er die rettende Luft ein und rollte sich auf die Seite. Tränen verschleierten ihm die Sicht.
    Al-Munahid ging neben ihm in die Hocke, das Messer in der Rechten. »Nun?«
    »Er hat … heilende Kräfte«, flüsterte ibn-Marzuq.
    Mit einer ruckartigen Bewegung zog ihn der Söldner am Kragen zu sich und presste ihm erneut die Klinge unter das Kinn. »Keine Lügen mehr«, sagte er schneidend.
    Ibn-Marzuq sah in den grauen Augen, dass es bei einem falschen Wort nicht die geringste Aussicht auf Erbarmen gab. Er spürte ein würgendes Schluchzen in seiner Kehle aufsteigen und kämpfte mit aller Kraft dagegen an. Nicht auch noch das. War die Demütigung nicht schon groß genug? »Es ist keine Lüge. Ich schwöre es. Der Stab … er ist eigentlich ein Zepter. König Suleyman hat es vor zweitausend Jahren geschmiedet. Er hat ihm die Macht des Heilens verliehen.«
    Eine Furche bildete sich zwischen al-Munahids Brauen, und Ibn-Marzuq hätte all sein Gold dafür gegeben, zu erfahren, was hinter der Stirn des Söldners vor sich ging. Endlich ließ al-Munahid ihn los und stand auf.
    »Wo ist Euer Tagebuch?«
    Ibn-Marzuq setzte sich auf. Er fürchtete, sich übergeben zu müssen. »In der Seekiste.«
    Al-Munahid wühlte darin herum und fischte schließlich einen Stapel Blätter, zusammengehalten von einem Faden, heraus. Er lehnte sich gegen den Tisch und las. Ibn-Marzuq kam
mühsam auf die Füße. Es war vierzig Jahre her, dass er Gewalt erfahren hatte, das letzte Mal bei einer Rangelei mit seinem Bruder. Schlimmer als die Schmerzen in seinem Hals war die Erniedrigung. Sie brannte wie ein vergifteter Stachel, und er wusste, dass diese Wunde lange nicht verheilen würde.
    Er wagte nicht zu sprechen, während der Söldner sein Tagebuch studierte. Al-Munahid war ein miserabler Leser und brauchte lange, bis er zur nächsten Seite blätterte. Er schien nach einer Bestätigung für ibn-Marzuqs Geschichte zu suchen. Er würde sie nicht finden. Ibn-Marzuq hatte befürchtet, einer der Söldner könnte sein Tagebuch lesen, deshalb hatte er keine Hinweise auf das Zepter einfließen lassen.
    Als al-Munahid dies feststellte, warf er das Bündel Pergament auf den Boden. Das Messer war wieder in der Scheide verschwunden. »Wenn ich herausfinde, dass Ihr gelogen habt, töte ich Euch«, sagte er, entriegelte die Tür und ging.
    Hastig schloss ibn-Marzuq sie hinter ihm und schob den Riegel vor. Niemand sollte sehen, wie er sich zitternd aufs Bett setzte. Lange saß er da und starrte vor sich hin.
    Er hatte al-Munahid nicht angelogen.
    Aber er hatte ihm nur einen Teil der Wahrheit erzählt.
    Einen winzigen Teil.
     
    Er lag neben Nadirah und lauschte ihrer Geschichte von Harun al-Rashid und dem tollpatschigen Djinn. Es war eine Kindergeschichte, zu albern und zu wenig blutrünstig für einen Zwölfjährigen, der schon sein eigenes Messer besaß und mit dem Kurzbogen auf vierzig

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