Der Gesandte des Papstes
mitbekam,
war das Pochen der Trommel und gelegentliches Peitschenknallen.
Jetzt allerdings schwieg die Trommel, und die Sklaven hatten die Ruder eingezogen. Westwind blähte die beiden Dreieckssegel auf und trieb die »Daimónion« schneller gen Osten, als es zweihundert Rudersklaven vermocht hätten. Wenn der Wind weiter so günstig stehe, hatte Hephaistion gesagt, erreichten sie Trapezunt in gut vier Tagen.
Vier Tage … Ibn-Marzuq hoffte insgeheim, dass es doppelt so lange dauern würde. In Trapezunt erwartete ihn nur ein mehrtägiger Ritt durch eine Gegend, die noch menschenfeindlicher war als der Sinai und außerdem von den Mongolen beherrscht wurde: das Hochland zwischen Kleinasien und Armenien. Entgegen der Aussage im ersten Teil der Vita, war Antonius um 305 nach christlicher Zeitrechnung vor den Pogromen unter Maximinus Daia und Kaiser Diokletian geflohen und hatte in Armenien, dem ersten und damals einzigen christlichen Reich der Welt, Unterschlupf gefunden. Warum er nach dem Toleranzedikt von Nikomedia, das die Christenverfolgung wenige Jahre später beendete, nicht zu seinen Glaubensbrüdern in Ägypten zurückgekehrt war, darüber gab der dritte Teil der Vita keine Auskunft. Ibn-Marzuq vermutete, dass der Heilige nicht, wie die Chronisten behaupteten, bis 356 gelebt hatte, sondern bald nach seiner Flucht gestorben war. Hingegen war sicher, dass sich seine letzte Ruhestätte in Armenien befand, am Sewansee, zwei Tagesritte nordöstlich von Yerevan. Auf dem Sterbebett habe er, schrieb Athanasius, das Zepter Mönchen aus einem nahen Kloster überreicht und ihnen den Schwur abgenommen, es für alle Zeiten vor den Augen der Welt zu verbergen.
Nun gründeten sich ibn-Marzuqs Hoffnungen darauf, dass das Kloster nach tausend Jahren noch stand. Sollte das nicht der Fall sein, würde er nach Kairo zurückkehren, dem Sultan sein Versagen gestehen und hoffen, dass es an-Nasir genügte, dass das Zepter auch für die Christenheit verloren war.
Der Wind schwächte ab, sodass der Gestank der Rudersklaven zu ihm heraufstieg. Er erhob sich von der Bank, die er zu seinem Lieblingsplatz erkoren hatte, und stieg die Treppe zum Deck hinunter. Die Segel wurden schlaff. Kapitän Hephaistion rief dem Sklavenaufseher zu, den Rudertakt zu erhöhen. Aus dem Schiffsinnern drangen gebrüllte Befehle herauf, und aus den Klappen wurden fünfzig Ruder geschoben, die kurz darauf ins Wasser klatschten.
Ibn-Marzuq überlegte, sich zum Bug zu begeben, entschied sich dann aber für seine Kajüte, um vor dem Abendessen noch ein wenig zu schlafen. Hephaistion hatte thrakischen Roten angekündigt. Ibn-Marzuq wollte ausgeruht sein, um den Wein mit wachen Sinnen auskosten zu können.
Seine Unterkunft befand sich in den Achternaufbauten, neben der Kapitänskajüte. Er öffnete die Tür und sah Kadar al-Munahid am Tisch stehen und in seinen Aufzeichnungen wühlen.
»Was macht Ihr da?«, fragte er scharf.
Der Söldner blickte auf das Pergament in seiner Hand. »Das Lied der Brandung von Harun ibn-Marzuq?« Er lächelte dünn.
»Gebt das her, bei allen Höllen!« Ibn-Marzuq riss ihm das Schriftstück aus der Hand. »Und jetzt verschwindet aus meiner Kajüte. Gnade Euch Allah, wenn ich Euch noch einmal beim Herumschnüffeln in meiner Habe erwische.«
Selbst in seinen eigenen Ohren klang die Drohung lahm. Umso mehr überraschte es ihn, dass al-Munahid ohne ein weiteres Wort zur Tür ging.
Doch anstatt die Kammer zu verlassen, schloss er die Tür. Leises Grauen kroch ibn-Marzuq den Nacken hinauf, als der Söldner den Riegel vorschob.
»Wo ist die Schriftrolle über den Stab?« Al-Munahids Stimme war scharf wie eine Messerklinge.
»Das geht Euch nichts an«, erwiderte ibn-Marzuq im schroffsten Amtston.
»Ich denke schon.« Die stahlgrauen Augen verengten sich.
»Ich habe in Konstantinopel sieben Männer verloren. Ich habe das Recht zu erfahren, was hier vor sich geht.«
Als ibn-Marzuq die Tischkante an seinem Gesäß spürte, wurde ihm bewusst, dass er unwillkürlich zurückgewichen war. Er schätzte seine Fluchtwege ab. Al-Munahid stand genau vor der Tür. Es gab kein Entkommen. Er musste auf sich aufmerksam machen und überlegte, gegen die Wand zu schlagen, die seine Kajüte von der des Kapitäns trennte. Doch dann fiel ihm ein, dass sich Hephaistion gerade auf Deck aufhielt.
Haltung, er durfte al-Munahid nicht spüren lassen, dass er sich vor ihm fürchtete … »Ihr habt zu tun, was ich Euch befehle. Ihr seid ein Lakai. Nicht viel
Weitere Kostenlose Bücher