Der Gesandte des Papstes
fortschicken könnte, ohne dass er Verdacht schöpfte; doch dann erinnerte sie sich, dass er kein Griechisch verstand. Sie fasste sich wieder. Wenn sie es geschickt anstellte, merkte er vielleicht nichts.
Er trat zu ihr. »Geht es Euch gut?«
Sie fühlte sich ertappt, bis sie begriff, dass sich seine Frage nicht auf ihr Erschrecken bezog, sondern auf ihr Verhalten am Hafen. Sie setzte ein erschöpftes Lächeln auf, was ihr nicht schwerfiel. Jada trug schon so lange eine Maske, dass sie sich manchmal selbst nicht mehr erkannte. »Ja. Ich bin nur müde.«
Er sah sie forschend an, fragte aber nicht weiter nach. Jada hoffte, dass er auf die Lüge hereingefallen war, und wandte sich an den nächsten Schreiber. »Ich brauche eine Überfahrt nach Trapezunt«, sprach sie ihn auf Griechisch an.
Der Mann saß an einem Tisch voller Listen, Frachtbriefen und anderen Schriftstücken. Er trug ein schwarzes, abgetragenes Wams und hatte ein längliches Gesicht. Wie die anderen Schreiber hatte auch er Jada unverhohlen angegafft, als sie den Raum betreten hatte. Dass sie ihn jetzt anredete, schien ihn zu verunsichern.
»Nach Trapezunt?«, murmelte er.
»Ja.«
Er begann, in seinen Unterlagen zu wühlen. »Wann? Noch heute?«
»Der Zeitpunkt ist mir gleich.«
Der Schreiber zog eine seiner Listen hervor. »Nun gut. Da hätten wir die ›Phríxos‹. Ein Küstenfahrer. Sie läuft übermorgen aus. Soll ich Euch dem Kapitän melden?«
»Nein, das ist nicht nötig. Ich spreche selbst mit ihm. Ich danke Euch.« Sie wandte sich um und ging Richtung Ausgang, spürte, wie ihr der Blick des Schreibers folgte.
»Habt Ihr ein Schiff gefunden?«, fragte Bazerat.
»Die ›Daimónion‹ war das Letzte.« Jadas Miene war düster, als sie ihn ansah. »Das Nächste läuft erst in zwei Wochen aus. Wir müssen nach Trapezunt reiten.«
Kardinal Morra trug weder seine Soutane noch ein anderes Kleidungsstück, das ihn als Würdenträger der Kurie auswies, als er im Julianshafen von Bord ging. Seit der Besetzung Konstantinopels im vierten Kreuzzug hatte sich die Kluft zwischen der byzantinischen und der römischen Kirche vertieft, und Morra wollte jegliche Schwierigkeiten, die sein Amt möglicherweise mit sich brachte, vermeiden. Für seine Nachforschungen musste er unauffällig sein, deshalb hatte er beschlossen, sich als Kaufmann aus Florenz auszugeben. Er stammte von dort und glaubte, die Rolle überzeugend spielen zu können. Es würde ohnehin nur von Belang sein, wenn er mit einem Genuesen zu tun hatte. Die Byzantiner waren gewiss nicht in der Lage, seine genaue Herkunft zu erkennen.
Für sich und seine acht Waffenknechte wählte Morra eine Herberge in der Nähe der Hagia Sophia aus. Niemand dort würde sich über die Anwesenheit der Soldaten wundern. Dass ein wohlhabender Kaufmann zu seinem Schutz Söldner anheuerte, war nichts Ungewöhnliches. Ein Mann namens Simone war der neue Hauptmann der Waffenknechte. Er war ebenso unfähig wie Francesco, aber im Gegensatz zu diesem der Kirche und seinem Dienstherren treu ergeben. Nach seiner Unterredung mit dem Papst hatte Morra zwei Diener, deren Zuverlässigkeit außer Frage stand, mit der Durchsuchung der Unterkünfte all seiner Bediensteten beauftragt. Und tatsächlich hatten sie in Francescos Kammer Dokumente gefunden, die ausschließlich für Morras Augen bestimmt waren. Auf der
Streckbank hatte der Hauptmann gestanden, die Hinweise auf die Vita Antonii einem Spitzel des Sultans zugeleitet zu haben. Als Francesco dem Scharfrichter übergeben wurde, war Morra bereits auf dem Weg nach Konstantinopel.
Gleich nach seiner Ankunft mietete er eine Sänfte und ließ sich zum Blachernenpalast bringen. Nachdem er zu seiner Bestürzung in den Archiven erfahren hatte, dass der dritte Teil der Vita nicht dort war, machte er sich auf die Suche nach Battista und Gaspare. Sie mussten in der Stadt sein - der Archivar hatte gesagt, er habe vor zwei Tagen mit einem Mann gesprochen, auf den die Beschreibung Battistas genau zuträfe.
Den Venezianer zu finden, erwies sich jedoch als ausgesprochen schwierig. Morra sah keinen anderen Weg, als jede einzelne Herberge abzusuchen. Seine Männer konnte er nicht ausschwärmen lassen, denn kein Einziger von ihnen sprach Griechisch. Am späten Nachmittag kam er an einem Turm der Theodosianischen Landmauer vorbei, vor dem sich viele Menschen angesammelt hatten. Kaiserliche Soldaten drängten sich um ein Loch, das offenbar mit Hämmern und Spitzhacken in die sieben
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