Der Gesandte des Papstes
wartete, eine Falle vermutend, darauf, dass der Mongole den Befehl zum Angriff gab. Doch nichts dergleichen geschah. Der Anführer nickte nur, wendete sein Pferd und trabte an. Seine Krieger taten es ihm nach. Morra und den Männern blieb nichts anderes übrig, als mit ihnen zu reiten.
»Was soll das?«, fragte Simone. »Wo bringen sie uns hin?«
»Das werden wir sehen. Danke deinem Schöpfer, dass sie uns nicht an Ort und Stelle abgeschlachtet haben.«
Umzingelt von den Mongolen ritten sie den Hang bis zu einer Bergkuppe, offenbar ein erloschener Vulkan, hinauf. Einerseits war Morra erleichtert, dass sie so glimpflich davongekommen waren. Vermutlich brachte man sie zu ihrem Lager, wo sich vielleicht
die Möglichkeit ergab, alles aufzuklären. Andererseits ärgerte er sich über die zusätzlichen Schwierigkeiten. Bis zu der Begegnung mit den Mongolen war das Glück auf seiner Seite gewesen. Nachdem er herausgefunden hatte, dass die Sarazenen ein Schiff nach Trapezunt genommen hatten, war es ein Leichtes gewesen, sie zu verfolgen. Das nächste Schiff nach Trapezunt, die »Phríxos«, lief schon zwei Tage nach der »Daimónion« aus, und da der leichte Küstenfahrer schneller als die Galeere war, schrumpfte der Vorsprung der Söldner auf einen Tag.
In Trapezunt verzögerte sich jedoch die Verfolgung. Die Stadt war der wichtigste Handelsknoten am Schwarzen Meer. Jeden Tag durchschritten so viele Reisende die Tore, dass sich die Wächter schon nach einem Tag nicht mehr an jeden Einzelnen erinnern konnten. Bei seiner Suche erfuhr Morra von einem genuesischen Handelsposten am Hafen. Der Kaufmann war als strenger Katholik bekannt und genoss den Ruf des am besten unterrichteten Mannes von ganz Trapezunt. Als Morra sich ihm als Kardinal zu erkennen gab, setzte der Genuese alles daran, ihm den gewünschten Hinweis zu erbringen. Keine zwei Tage später konnte er Morra berichten, dass die Sarazenen die Straße ins Landesinnere genommen hatten, in Richtung des Pontischen Gebirges. Daraufhin trieb Morra seine Männer unerbittlich zur Eile an. Im Landesinneren holten sie verlorene Zeit wieder ein. Wenn er nicht wusste, welchen Weg die Söldner eingeschlagen hatten, musste er nur die Schafshirten fragen; die Berge waren so dünn besiedelt, dass sich die Bewohner an nahezu jeden Reisenden der letzten Wochen erinnern konnten.
Ihre Verfolgungsjagd führte sie stetig Richtung Osten, und mit jeder Meile, die sie zurücklegten, verfestigte sich Morras Vermutung, wo das Ziel der Sarazenen lag: in Armenien, dem ersten christlichen Reich der Welt. Ein Hochgefühl ergriff ihn, als er sich einem tausend Jahre alten Geheimnis auf der Spur wusste. Es konnte nur Armenien sein! Wo sonst hätte man in
Zeiten der Christenverfolgung ein Artefakt mit heiliger Macht verstecken sollen?
Drei Tage nach ihrem Aufbruch von Trapezunt hatten sie die Söldner schließlich eingeholt. Nach Einbruch der Dunkelheit, wenn sie lagerten, plante Morra, sie zu überfallen.
Und jetzt das. So kurz vor dem Ziel. Morra fürchtete nicht mehr um sein Leben, aber wenn es ihm nicht bald gelang, der Gewalt der Mongolen zu entkommen, entwischten ihm die Söldner erneut.
Sie ritten durch den Krater des erloschenen Vulkans bis zu einer Schlucht in der Kraterwand, die so schmal war, dass Morra mit ausgestreckten Armen die Felsen zu beiden Seiten hätte berühren können. Über ihm erstreckte sich ein Streifen bewölkten Himmels. Der kurze Hohlweg mündete in einen Pfad, der sich zwischen Felsen den sanft abfallenden Berghang ins Tal hinunterschlängelte. Die Wegesbreite bot lediglich für ein Pferd Platz, sodass sie alle hintereinander reiten mussten. Dennoch wäre jeder Fluchtversuch töricht gewesen.
Morra fragte sich, wie es den Söldnern gelungen war, der Reitwache zu entgehen. Bestechung? Das war eine Möglichkeit. Auch Morra hatte schon darüber nachgedacht, aber um ihre Tarnung als Pilger nicht zu gefährden, wollte er damit warten, bis es keinen anderen Ausweg mehr gab. Außerdem hielt er es für klug, die prallgefüllte Geldkatze in seinem Gepäck so lange wie möglich geheim zu halten.
Er beschloss, nicht mehr an die Sarazenen zu denken, sondern sich mit den Mongolen zu befassen.
Wie es schien, lag ihr Ziel irgendwo im Herzen des Hochlandes. Als sie das Tal erreichten, folgten sie einem Ausläufer in südöstliche Richtung. Stundenlang ritten sie durch Schluchten, langgezogene Senken zwischen scharfkantigen Gipfeln, über menschenleere Hochebenen und auf
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