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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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von dem Wein und betrachtete die Sterne. Das Tal lag in vollkommener Dunkelheit unter ihm; die Lichter der kleinen Siedlung auf den Hügeln vor der Küste waren vor einer knappen Stunde verloschen. Warmer Wind, der nach Salz und Algen roch, kam vom Meer. Er hörte den Toskaner hinter sich im Schlaf murmeln und dachte, dass er sich ebenfalls hinlegen sollte. Wenn nur die Unruhe und Rastlosigkeit nicht gewesen wären … Raoul hatte in den vergangenen Wochen in keiner Nacht mehr als ein paar Stunden geschlafen, meist um den Albträumen zu entgehen; doch seit Konstantinopel war es noch schlimmer geworden. Der Grund dafür war das Zepter.
    Er dachte kaum noch an etwas anderes. Das Verlangen, es endlich in den Händen zu halten, war so machtvoll, der Gedanke, al-Munahid könnte ihm zuvorkommen, so unerträglich, dass er am liebsten Tag und Nacht geritten wäre. Er musste sich zwingen, dem Bedürfnis seines Körpers nach Ruhe nachzugeben. Er wollte kein zweites Mal vor Erschöpfung vom Pferd fallen. Denn anders als im Amanusgebirge würde er vielleicht nicht die Kraft finden, noch einmal aufzustehen.
    Er nahm einen letzten Schluck und kostete den harzigen, schweren Geschmack aus, bevor er den Pfropfen in die Öffnung des Weinschlauchs schob und vom Felsen kletterte. Matteo lag allein am niedergebrannten Feuer. Jada bint-Ghassan war nach Einbruch der Dunkelheit fortgegangen - wohin, hatte sie nicht gesagt. An ihrer Verschlossenheit hatte sich nichts geändert, seit sie vor einer Woche aufgebrochen waren. Raoul wurde nicht klug aus ihr. Sie vermied jedes Gespräch, sodass er immer noch nicht mehr über sie wusste als das Wenige, was er in Konstantinopel erfahren hatte. Wenn die Umstände sie zwangen, mit ihm oder Matteo zu reden, sagte sie nur das Nötigste und gab sich abweisend. Dann wieder waren da die verstohlenen Blicke, mit denen sie ihn bedachte und von denen sie anscheinend glaubte, er bemerke sie nicht.
    Er ging zu seinem Nachtlager zwischen den knotigen Kiefernwurzeln. Jada … Ihr Gesicht sagte ihm, dass sie nicht viel älter sein konnte als er, doch wenn er in ihre Augen sah, war er sich nicht mehr sicher. Es waren Augen, die viel Leid gesehen hatten und aus denen ein Wissen sprach, das über die Zahl ihrer Jahre hinausging. Er verstand nicht, was er für sie empfand, nur dass es nicht mit der Begierde, die ihn zu den Mädchen des Dorfes hingezogen hatte, zu vergleichen war. Es war tiefer … verwirrender. Raoul spürte, dass sie ihn besser verstand als jeder andere Mensch, sogar besser als sein Bruder. Er hätte gerne herausgefunden, warum das so war. Doch Jada ließ das nicht zu.
    Er hustete. Zeit für seine Kräuter. Er holte den Beutel hervor,
dessen Inhalt langsam zur Neige ging. In Trapezunt musste er einen Heiler finden, bei dem er seinen Vorrat wieder auffüllen konnte.
    »Hier, versucht das.«
    Ruckartig hob Raoul den Kopf; Jada stand vor ihm. Er war derart in Gedanken versunken gewesen, dass er sie nicht aus dem Wald hatte kommen hören. In der Hand hielt sie eine weiße Knolle, an der noch etwas Erde klebte.
    Er nahm das Gewächs und betrachtete es. »Was ist das?«
    »Eine Wurzel, die hier in den Bergen wächst. Ihr müsst den Saft in Wasser auflösen und trinken. Er hilft gegen Husten und Fieber.«
    Raoul war überrascht. Deswegen war sie also verschwunden. »Danke«, sagte er mit einem Lächeln.
    Die Ägypterin gab etwas Wasser in ihre Schale und erhitzte es über der Glut, während er mit seinem Dolch die Erde von der Knolle schabte, sie der Länge nach viertelte und die Stücke zwischen zwei flachen Steinen auspresste. Den farblosen Saft goss er mit dem heißen Wasser auf. Mit untergeschlagenen Beinen saß er auf seiner Decke und trank in kleinen Schlucken. Es schmeckte bitter und frisch.
    Jada saß mit dem Rücken am Felsen und hatte ihre Knie an sich gezogen. Es war das erste Mal, dass sie sich längere Zeit in seiner Nähe aufhielt, während sie lagerten. In den Nächten zuvor hatte sie wortlos gegessen und sich dann vom Feuer zurückgezogen.
    »Wieso kennt sich eine Prinzessin mit Kräutern aus?«, fragte er.
    Sie überging die Bemerkung über ihre angebliche adlige Herkunft. »Ich bin früher häufig gereist. Allein. Wenn man in Gegenden wie dieser überleben will, lernt man solche Dinge.« Sie warf Matteo einen Blick zu. »Wenn Euer Freund von der Wurzel erfährt, wird er mich endgültig für eine Hexe halten.«
    Es bestand keine Gefahr, dass Matteo ihr Gespräch mit anhörte
oder davon

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