Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
Vom Netzwerk:
mit den Tieren umgehen, das musste man ihr lassen. Zwar hatte Matteo im Kloster gelernt, dass Pferde scheuten und Hunde anschlugen, wenn eine Hexe in der Nähe war, aber auch Mönche waren nicht allwissend. Außerdem bezweifelte er, dass die Männer, denen er zwei schreckliche Jugendjahre verdankte, je eine richtige Hexe gesehen hatten. Und was hieß das mit den Pferden schon? Sie war wie der Leibhaftige durchs Feuer gegangen. Einen stärkeren Beweis für ihre dunkle Zaubermacht konnte sich Matteo beim besten Willen nicht vorstellen.
    Leider sah Raoul die Wahrheit nicht. Er wollte sie nicht sehen. Matteo wusste, warum. Die Blicke, die Raoul der Hexe zuwarf, waren ihm nicht entgangen. Einerseits konnte er es seinem Gefährten nicht verdenken; Jada bint-Ghassan war eine Frau, deren Schönheit jedem Mann den Atem verschlug. Andererseits schloss er nicht aus, dass sie den Ritter verhext hatte. Ihm blieb vorerst keine andere Wahl, als die beiden zu begleiten und sich seine Abneigung und Furcht so wenig wie möglich anmerken zu lassen.
    Matteo kauerte mit dem Rücken am Felsbrocken, der ihr Lager gegen den Wind abschirmte, schürte das Feuer mit einem Zweig und blickte zur anderen Seite des weiten Tals, wo eine Schafherde weidete: kleine, schmutzigweiße Flecken auf einer
grünen Hügelkuppe. Sie lagerten auf einer Hochebene, die einer Stufe im Berg glich. Im Süden stieg der Hang steil zum Gipfel auf, im Norden fiel er in einer Reihe zerklüfteter Klippen ab. Rhododendren klammerten sich an die wenigen Flecken Erdreich zwischen den vom ewigen Wind verwitterten roten Felsen. Der Bach stürzte über den Berghang in die Tiefe, sammelte sich in einem Tümpel und floss hinter dem Wäldchen kaskadenartig ins Tal. Matteo hatte keinen Blick für die Schönheit seiner Umgebung. Er dachte nur an die entbehrungsreichen Tage, die noch vor ihnen lagen, bis sie endlich Trapezunt erreichten - und er wieder unbeobachtet ein Bad nehmen konnte. Hier in der Wildnis wusch er sich nicht. Die Gefahr war zu groß, dass Raoul oder die Hexe ihn dabei sahen.
    Seufzend legte er einige Äste nach und überließ das Feuer sich selbst, während er den kleinen Holzkäfig mit den zwei Hühnern auf den Schoß nahm. Sie hatten die Vögel bei einem Bauern auf der anderen Seite des Berges gekauft, als Abwechslung von den getrockneten Früchten und dem alten Brot. Die Hühner gackerten und schlugen mit den Flügeln, als er die Klappe öffnete, und er wurde mehrmals in die Hand gepickt, bevor er ein Tier herausholen konnte. Zügig schloss er den Käfig, packte das Huhn am Hals und presste es auf den Boden.
    Mit der freien Hand griff er nach dem Beil. Er schlug nicht sofort zu. Es war ihm immer noch zuwider, Fleisch zu essen. Aber es wäre mit der Zeit zu auffällig geworden, wenn er ganz darauf verzichtete, also zwang er sich dazu.
    Eine ganz andere Sache war es jedoch, das Tier eigenhändig zu töten.
    Übelkeit stieg in ihm auf. Es ist nur ein Huhn, sagte er sich. Nur ein verdammtes Huhn! Er spielte mit dem Gedanken, die beiden Vögel frei zu lassen und später zu behaupten, sie wären beim Öffnen der Käfigtür davongeflogen. Aber dann würde er wie ein Tölpel dastehen.
    Das Huhn versuchte sich zu befreien und schlug gackernd
mit den Flügeln. Er klemmte es zwischen den Knien ein und spürte unter dem Gefieder das Herz wild pochen. Matteo schloss die Augen und murmelte ein Gebet, in dem er um Verzeihung bat, dass er dieses Leben nehmen musste.
    Als er die Augen wieder öffnete, stand Raoul am Feuer.
    Matteo schrak zusammen und hätte das Huhn beinahe losgelassen. Er hat alles gesehen!, durchfuhr es ihn. Und jetzt weiß er es! Aber was hatte er denn schon gesehen? Ihn, dessen Lippen sich stumm bewegten, während er mit geschlossenen Augen ein Huhn festhielt. Merkwürdig, gewiss, aber mehr auch nicht.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Raoul.
    »Gar nichts ist in Ordnung! Schau dir an, was das Vieh mit meiner Hand gemacht hat.« Matteo setzte eine mürrische Miene auf und saugte an den Kratzern. »Verdammtes Biest … Bleib hier!«, rief er, als das Tier erneut versuchte, zu entkommen.
    Bazerat warf die prallgefüllten Wasserschläuche auf den Boden. »Beeil dich. Ich habe Hunger.« Seine Stimme klang müde vom langen Ritt. Er nahm seine Satteltaschen auf und suchte etwas darin.
    Matteo wusste, dass er noch einmal davongekommen war. Vergib mir, dachte er, hob die Axt und schlug zu.
     
    Als Matteo längst schlief, saß Raoul auf dem Felsen, trank gelegentlich

Weitere Kostenlose Bücher