Der Gesandte des Papstes
bei Trapezunt ins Schwarze Meer mündete. Für Kadar, der die meiste Zeit seines Lebens in ausgedörrten Wadis und Landstrichen verbracht hatte, in denen heißer Wind unaufhörlich Sand durch die Luft wirbelte, war dieses Land ebenso fremdartig wie das Pferd, auf dem er ritt. Regengraue Wolken hingen über den Bergrücken links und rechts der Klamm, die sie tiefer ins Hinterland führte. Einst
von einem viel mächtigeren Wasserlauf in den Fels gegraben, brachte sie jede Windung des Weges den karstigen Bergen näher. Die Römerstraße endete jäh an einem gewaltigen, vom Bergrücken bis ins Tal reichenden Geröllfeld, sodass sie von da an die Hirtenpfade benutzen mussten. Kadar änderte seine Meinung über die Kleinpferde. Die unbeschlagenen Hufe fanden auf dem unebenen und steilen Untergrund mühelos Halt; was er für mangelndes Temperament gehalten hatte, war Genügsamkeit und Ausdauer - Eigenschaften, die sämtliche Pferde, die er je geritten hatte, nicht in dem Maß besaßen, wie es diese Gegend erforderte.
Lebenslangen Gewohnheiten folgend hatten sie genügend Vorräte in den Satteltaschen verstaut, um notfalls tagelang überleben zu können. Eine Vorsichtsmaßnahme, die sich bald als überflüssig erwies, denn das Pontische Gebirge war bis in die höheren Regionen reich an Pflanzen und Tieren.Auf den Hochebenen wuchsen Haselnüsse, wilde Oliven, Feigen und Birnen. Wildkatzen mit buschigen Schwänzen machten Jagd auf Kaninchen; Bergziegen, deren Fell die Farbe des Bodens hatte, sodass sie nur zu sehen waren, wenn sie sich bewegten, fraßen von den stacheligen Büschen zwischen den Findlingen.
Unardhu schoss eine, als sie ihr Nachtlager unter einem überhängenden Felsen aufschlugen. Kadar half ihm beim Häuten und Ausnehmen, dann brieten sie große Stücke über dem Feuer und aßen sie mit Salz, frisch gemahlenem Pfeffer, Oliven und Brot, das sie ins Bratfett tunkten. Unardhu spülte seine Pfanne in einem nahen Gebirgsbach aus, schlug die restlichen Fleischstücke in Tücher ein und verstaute sie in seinen Satteltaschen. Dann gesellte er sich wieder zu den anderen, die einen Schlauch mit feurigem, blutrotem Wein aus Trapezunt herumgehen ließen, während der Feuerschein auf ihren Gesichtern lag. Die Flammen knackten und zischten, denn sie nährten sich vom harzigen Holz der jungen Schwarzkiefern.
Es war ungewohnt, mit so wenigen Männern am Feuer zu
sitzen. Kadar trauerte den Kämpfern nicht nach, die er in Jerusalem und Konstantinopel verloren hatte - er schloss keine Freundschaften; so etwas behinderte nur. Obendrein hätten freundschaftliche Gefühle seine Stellung als Anführer geschwächt. Nichtsdestotrotz bedauerte er ihren Verlust. Es waren gute Kämpfer gewesen, die er nicht so leicht würde ersetzen können.
Doch auch der Rest der Truppe war noch immer schlagkräftig. Akif, der Eunuch, mochte nichts mehr zwischen den Beinen haben, dafür hatte er die Kraft eines Ochsen. Er war Syrer wie al-Munahid und zwei andere Männer, Bishr und Uthman, Brüder, die seit mehr als fünf Jahren für ihn kämpften. Sie hatten dunkle Gesichter, die man sofort wieder vergaß, und sprachen nur, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Eine Eigenschaft, die er schätzte. Ihre Schweigsamkeit wurde allerdings von Najib mühelos ausgeglichen. Über alles und jeden riss der Jüngste von ihnen Witze. Die restlichen drei Männer waren Mamelucken: Saad, ein Hüne von einem Mann, dem das linke Auge fehlte; Rafiq, in dessen Adern nubisches Blut floss und dessen Haut fast schwarz war; und Abdul-Jabar, der einen dichten, schwarzen Vollbart trug und auch am Rest seines Körpers so behaart war, dass die anderen ihn »Bär« nannten.
Unardhu war außer Armin der Einzige, der nicht aus dem Sultanat stammte. Kadar hatte ihn bei einem Wettkampf im Bogenschießen in Damaskus kennen gelernt und ihn anschließend, beeindruckt von seinen Fähigkeiten, angeworben. Woher er ursprünglich kam und warum er sein Volk verlassen hatte, wusste Kadar nicht, und er fragte auch nicht nach. Unardhu konnte gut kämpfen, und nur das zählte. Kadar war froh, ihn dabei zu haben. Im Gebiet der Ilkhane, das sie bald erreichten, würde sich seine Muttersprache gewiss als nützlich erweisen.
Das zehnte Mitglied der Gruppe saß abseits von allen, mit eng um die Schultern gezogenem Mantel und abweisender Miene. Ibn-Marzuq schwieg die meiste Zeit und öffnete den
Mund nur, um barsche Anweisungen zu geben. Er klammerte sich an die trügerische Hoffnung, dass er
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