Der Gesandte des Papstes
Autorität ausstrahlte, indem er die Männer wie seine Leibdiener behandelte. Kadar hatte noch nicht entschieden, was mit ihm geschehen sollte. Auf der »Daimónion« hatte er überlegt, ob es nicht am einfachsten wäre, sich seiner zu entledigen. Aber der Mann war immerhin Wesir. Wenn er nicht nach Kairo zurückkehrte, würden Fragen gestellt werden. Außerdem konnte es gut sein, dass ibn-Marzuq ihm Hinweise auf das Versteck des Zepters vorenthielt.
Abwarten, dachte Kadar.
Im Morgengrauen weckte sie der Regen. In dicken Tropfen prasselte er auf das Hochland. Der überhängende Felsen hätte sie geschützt, wenn der Wind nicht gewesen wäre, der den Regen von der Seite kommen ließ. Fluchend und schimpfend packten die Männer ihre Sachen, hüllten sich in ihre Mäntel und brachen auf.
Die Wolken hingen so tief, dass graue Schlieren die Berggrate verwischten. Kadar kannte Regen nur als kurze, heftige Schauer, die über einem durstigen Land niedergingen; noch nie hatte er solch andauernden Niederschlag erlebt. Die dem hiesigen Wetter angemessenen Mäntel, die sie in Trapezunt gekauft hatten, hielten die Nässe eine Weile fern. Gegen Mittag jedoch klebte seine Kleidung klamm am Körper, und er fror. Da der Boden aufweichte und den Pferden Schwierigkeiten bereitete, beschloss er, in einer heruntergekommenen Hirtenhütte das Ende des Regens abzuwarten. Doch als es am späten Nachmittag immer noch in Strömen goss, ritten sie weiter.
Im Osten traf das Pontische Gebirge auf den Kleinen Kaukasus und vereinte sich zum Ararathochland, einem viele hundert Meilen weiten Gebiet voller wolkenhoher Berge mit vereisten Gipfeln, erloschenen Vulkanen, zerklüfteten Hochebenen aus aschgrauem Fels, auf dem nichts wuchs, nahezu menschenleeren Tälern und engen Schluchten, durch die Flüsse aus Schmelzwasser rauschten. Die wenigen Bewohner dieses
Landes hatten Gesichter und Hände wie altes Leder, trugen Kleidung aus schmutziger Wolle und beobachteten die berittene Gruppe von ihren Schafweiden an den Hängen, bis sie verschwunden war.
Der Regen begleitete sie noch zwei Tage, bis er endlich aufhörte. Sonne brach durch die Wolkendecke. Als Kadar sicher war, dass das gute Wetter anhielt, ordnete er eine Rast an, während der sie ihre Kleider am Feuer trockneten. Er wollte es nicht darauf ankommen lassen, einen oder mehrere Männer an das Fieber zu verlieren.
Sie lagerten in einem erloschenen Vulkan, einer Senke von einer halben Meile Durchmesser. An den Rändern ragten graue Felswände wie die Zacken einer Krone empor. In der Sohle wuchsen dichte Grasbüschel, die der Wind scheitelte. Richtung Westen fehlte ein gewaltiges Stück der Kraterwand, fortgerissen von dem letzten Ausbruch, und gab den Blick auf das langgezogene Tal frei, durch das sie geritten waren.
Kadar entledigte sich seines Mantels, des Kettenhemds und der Lederweste und legte die Sachen neben dem Feuer aus, als er bemerkte, wie Unardhu von einer grasbewachsenen Anhöhe ins Tal hinunterblickte. Nur noch mit seinem Leinenhemd und der Hose bekleidet, ging er zu ihm.
»Was ist los?«
Unardhu hatte einen kahlen, narbigen Schädel und einen Schnurrbart, dessen spitze Enden zur Erde zeigten. Er trug weite Wollhosen und den Stepppanzer seines Volkes, der aus Lederplatten und vielen Lagen Rohseide bestand, verstärkt mit Eisenringen. »Ich glaube, jemand folgt uns. Reiter.«
Kadar nahm die Hände zu Hilfe, um die Anhöhe zu erklimmen. Von dort hatte er einen guten Blick ins Tal. Er sah niemanden, aber das hieß nichts. Felsen, Bodenwellen und Berghänge mochten die Sicht auf die Reiter versperren. »Wie viele?«
»Ich weiß es nicht. Mehrere.«
Bazerat!, durchzuckte es Kadar, doch er schob den Gedanken
beiseite. Unmöglich. Der Ritter konnte sie unmöglich eingeholt haben. Außerdem war da noch Armin.
»Bleib hier«, sagte er zu Unardhu. »Ruf mich, wenn du etwas siehst.«
Plötzlich drang durch den Wind Stimmengewirr zu ihm. Hastig sammelten die Männer ihre Ausrüstung ein. Rafiq, der auf der anderen Seite des Kessels Ausschau gehalten hatte, rannte den Hang hinunter. Als der Halbnubier näher kam, verstand Kadar, was er rief:
»Mongolen! Mongolen!«
VIERZEHN
E rst der Regen, und jetzt die Mongolen. Kardinal Morra bewegte die Lippen zu einem stummen Fluch, als er den Reitertrupp zwischen den Felsen ausmachte. Er hörte, wie ihr Anführer einen Befehl rief, worauf der Trupp zu einem weiten Bogen ausfächerte. Er hatte frühestens in zwei bis drei Tagen mit
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