Der Gesandte des Papstes
aufwachte. Sein Schnarchen verriet, dass er tief und fest schlief. »Er ist ein wenig abergläubisch. Das vergeht.« Raoul pustete in die Schale, damit sich das heiße Wasser schneller abkühlte. »Was ist mit mir? Habt Ihr keine Angst, ich könnte Euch für eine Hexe halten?«
»Tut Ihr es?«, fragte sie mit leisem Spott.
Er lächelte. »Das entscheide ich, wenn Ihr mir erklärt habt, wie Ihr unbeschadet durch das Feuer im Hundsturm gehen konntet.«
Ein Schatten huschte über ihr Gesicht. »Wieso wollt Ihr das wissen? Reicht es nicht, dass Ihr gerettet wurdet?«
»Ich weiß gerne, mit wem ich es zu tun habe.«
»So? Wisst Ihr es denn bei Gaspare?«
Unwillkürlich blickte er zu dem Toskaner, der sich auf die Seite gedreht hatte und nicht mehr schnarchte. Raoul stellte die Schale ab. »Wie meint Ihr das?«
Jada gab keine Antwort. Sie umschlang ihre Knie mit den Armen und blickte in die Flammen. Schließlich sagte sie: »Es ist eine Gabe, die alle in meiner Familie besitzen. Feuer kann uns nichts anhaben. Ein Geschenk Allahs. Genügt Euch das als Erklärung?«
»Wenn es eine göttliche Gnade ist, wieso dann diese Heimlichtuerei?«
»Nicht nur unter den Christen gibt es viele, die alles, was sie nicht verstehen, am liebsten vernichten würden.«
Raoul ließ es auf sich beruhen. Es hatte keinen Zweck, sie zu bedrängen. Er hatte geglaubt, endlich zu ihr durchgedrungen zu sein. Aber seine Fragen hatten nur bewirkt, dass sie noch verschlossener geworden war.
Nach einer Weile stand sie auf. »Trinkt das Wasser, solange es heiß ist. Sonst wirkt der Saft nicht.«
Dann ging sie zu ihrem Lager auf der anderen Seite des Felsens.
Am nächsten Morgen folgten sie weiter dem Tal, das neben der Küstenlinie verlief; zu ihrer Linken die Hügelkette, zu ihrer Rechten die Gipfel des Pontischen Gebirges, die mit jeder Meile höher wurden. Auf dem Papier war Paphlagonien, so der Name dieser Gegend, ein Teil des Byzantinischen Reiches, doch in Wahrheit gehörte es niemandem. Von Jada hatte Raoul erfahren, dass die Osmanen, ein kriegerisches Volk aus dem anatolischen Hochland, nach Norden vordrangen und dort die Bergdörfer überfielen. Der Basileus ließ es geschehen, weil ihn schon die Verteidigung der Hauptstadt an die Grenzen seiner Mittel brachte. Dementsprechend waren die Hirten und Bauern, die ihnen begegneten, Fremden gegenüber voller Misstrauen und verschwanden meist in ihren Hütten, wenn sie die drei Reiter kommen sahen.
Jadas Knolle half besser als seine eigenen Heilkräuter, und er ließ sich von ihr zeigen, wie er sie finden konnte. Doch so wirksam der Saft auch war, er konnte nicht verhindern, dass der Ritt allmählich seine Kräfte aufzehrte. Ein baldiges Ende der Mühen war nicht in Sicht: Ihre Hoffnung, in einer der Küstenstädte östlich von Konstantinopel ein Schiff nach Trapezunt zu finden, zerschlug sich bald. Jada erfuhr, dass die Städte Bithyniens und Paphlagoniens in einen Handelskrieg mit dem reichen Trapezunt verstrickt waren, der die ganze Schifffahrt dorthin zum Erliegen brachte. Raoul schlug vor, einen Kapitän zu bestechen, sich über die Sperre hinwegzusetzen, doch Jada hielt das für zu gefährlich. Sie berichtete von scharfen Überwachungen an den Häfen und harten Maßnahmen gegen Schmuggler und anderen, die die Sperre durchbrachen. Erneut blieb ihnen nur der Landweg.
Nach vielen entbehrungsreichen Tagen, die mit nichts als Reiten und Ausruhen ausgefüllt waren, erreichten sie endlich Trapezunt. Die Abenddämmerung lag über dem Meer und den grünen Hügeln des Pontischen Vorgebirges, als sie durch das Tor der mächtigen Mauer ritten. Die Stadt war zwar viel kleiner als Konstantinopel, strotzte aber nur so vor Wohlstand. Sie
war der Sitz der Komnenen, jenem byzantinischen Herrschergeschlecht, das sich vor hundert Jahren nach ihrer Flucht vor den Kreuzrittern hier niedergelassen hatte. Die Bewohner der Kaiserstadt waren mehrheitlich byzantinische Griechen, doch auf den belebten Straßen sah Raoul Angehörige einer Vielzahl anderer Völker, meist Kaufleute mit ihren Trägern und Gehilfen: Georgier, Armenier, Seldschuken, Araber, Perser und kleine, zierliche Menschen, deren Gesichter und Hände wie mit Safran gefärbt erschienen - Seidenhändler aus den fernen Reichen des Ostens, erklärte ihm Matteo, der in Akkon viel über die Reiche Kleinasiens erfahren hatte.
In der ersten Herberge, auf die sie stießen, mieteten sie sich ein. Das turmähnliche Gebäude stand mitten auf einem Platz in
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