Der Gesandte des Papstes
der Nähe des Stadttores, war ganz aus Holz und verjüngte sich zur Spitze hin. Der Wirt, ein feister, ewig mürrischer Georgier, der einige Brocken Latein sprach, hatte kaum Gäste, sodass jeder eine Kammer für sich bekam. Nachdem die Pferde versorgt waren, trafen sie sich in der halbdunklen, nach saurem Wein riechenden Schankstube. Sie aßen und tranken nichts, denn sie wollten sofort mit der Suche nach einer Spur al-Munahids beginnen.
»Wir teilen uns auf wie in Konstantinopel«, sagte Jada zu Raoul. »Ihr und Euer Freund erkundigt Euch an den Toren. Ich übernehme den Hafen.«
Auch Raoul wollte nicht noch mehr Zeit verlieren, dennoch hielt er ihren Vorschlag für unklug. »Wir sollten zusammenbleiben. Al-Munahid rechnet damit, dass wir ihm gefolgt sind. Möglich, dass er uns eine Falle gestellt hat.«
»Nein«, widersprach die Ägypterin scharf. »Al-Munahid erwartet, dass wir mit dem Schiff kommen. Inzwischen ist so viel Zeit vergangen, dass er glauben wird, wir hätten aufgegeben. Bei Einbruch der Nacht treffen wir uns wieder hier.« Ohne seine Antwort abzuwarten, wandte sie sich ab und ging.
Matteo blickte ihr nach. »Ich nehme alles zurück. Sie ist keine Hexe. Sie ist eine Verrückte.«
Auch Raoul kam ihr Verhalten sonderbar vor, wie am Julianshafen in Konstantinopel. »Komm«, sagte er und trat ins Freie. Stimmengewirr in einem halben Dutzend Sprachen schlug ihm entgegen. Die Tür der Taverne von gegenüber flog auf und entließ laute Pfeifenmusik und einen Betrunkenen, der rückwärts torkelnd gegen mehrere Menschen prallte und dann in die Auslagen eines Obsthändlers fiel. Eine wutentbrannte Frau stob aus der Taverne und überschüttete den Betrunkenen mit Beschimpfungen, sehr zur Erheiterung einiger gut gekleideter junger Männer, die gerade des Weges kamen.
Matteo betrachtete bekümmert das Gedränge auf dem Platz. »Das ist noch gar nichts gegen das, was am Tor los sein wird. Ich frage mich, wie wir hier eine Spur von al-Munahid finden sollen.«
Raoul reckte den Kopf und sah Jadas weiße Gestalt in einer Gasse verschwinden. »Fang allein mit der Suche an. Ich stoße später dazu.« Er hörte noch, wie der Toskaner »Raoul, was …« rief, dann umgab ihn die lärmende Menschenmenge.
Raoul war so erschöpft von dem Ritt, dass es ihn danach verlangte, zwei Tage nur zu schlafen. Von seinem Tatendrang und seiner Zuversicht war kaum noch etwas übrig. Er hatte keine Geduld mehr mit Jada, mit ihrer Verschlossenheit, ihrer Heimlichtuerei. Sie hatten vereinbart, sich gegen Gefahren und Bedrohungen zusammenzuschließen, aber wie sollte er ihr vertrauen, wenn er nicht wusste, welches Spiel sie spielte?
Unsanft schob er sich an einem Kaufmann vorbei, dessen gelangweilte Frau ihm einen einladenden Blick zuwarf. Die Gasse, in die Jada verschwunden war, war weniger belebt, und er konnte ihr mühelos in einigem Abstand durch das bunte Gewirr aus Läden und Verkaufsständen folgen. Sie hielt sich von den Hauptstraßen fern, sodass er bald nicht mehr wusste, in welchem Viertel er sich befand. Doch dann entdeckte er über den Dächern einen Wald aus Mastspitzen; Jada war tatsächlich zum Hafen gegangen. Das beruhigte ihn ein wenig, denn er hatte geglaubt,
dass sie ihn und Matteo täuschen wollte. Doch als er aus der Gasse auf den Hafendamm trat, spürte er augenblicklich, dass etwas falsch war.
Raoul blieb vor den heruntergekommenen Lagerhäusern stehen und beobachtete das Treiben: zwei Dutzend Schiffe vertäut an den Anlegestegen, weitere ankerten draußen auf dem Meer, bereit zum Einlaufen. Mannshohe Stapel von Fässern, Kisten, Körben, Amphoren und Tuchballen warteten darauf, verladen zu werden oder die Reise zu ihren Käufern im Landesinneren anzutreten. Hafenarbeiter, Seemänner, Soldaten, Reisende, Geschrei, Streit, Abschieds- und Willkommensrufe, Gedränge, Gestank von Pech, nassem Holz, Bilgewasser und dem Elend der Rudersklaven. Kein Hafen konnte gewöhnlicher sein als dieser.
Aber sollte es im Hafen einer Stadt, die sich in einem Handelskrieg befand und von den Kaufleuten der gesamten Küste gemieden wurde, nicht etwas weniger geschäftig zugehen?
Was, wenn es gar keinen Handelskrieg gibt? Wenn sie uns von Anfang an belogen hat?
Er setzte Jada nach, die sich einen Weg durchs Gedränge bahnte. Stationen ihrer Reise kamen ihm in den Sinn. In der ersten Hafenstadt hatte die Ägypterin scheinbar beiläufig angeboten, sich allein nach einem Schiff zu erkundigen. Raoul und Matteo, müde vom Ritt und
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