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Der Gesandte des Papstes

Titel: Der Gesandte des Papstes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Lode
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Glieder brach, weil er ein Hindernis übersah.
    Wenige Schritte vor ihm bewegte sich etwas - ein heller Schemen. Raoul stellte sich ihm in den Weg und packte ihn am Arm.
    »Lasst mich los!«, stieß Jada hervor und versuchte sich aus
dem Griff herauszuwinden. Mit beiden Händen presste er sie gegen die Hauswand.
    »Warum habt Ihr gelogen? Diese Geschichte mit dem Handelskrieg - was soll das?«
    »Ich habe meine Gründe.« Sie gab ihre Gegenwehr auf, aber Raoul ließ sich davon nicht täuschen. Ihr Körper blieb angespannt. Sie wartete nur darauf, dass seine Wachsamkeit nachließ.
    »Wollt Ihr verhindern, dass wir das Zepter bekommen?«, fragte er scharf. »In wessen Diensten steht Ihr?«
    »Ich diene nur mir. Und es gibt niemanden, der das Zepter mehr begehrt als ich.«
    Raoul verstärkte seinen Griff. Er wusste, dass er ihr damit weh tat, aber es war ihm gleichgültig. »Wären wir mit dem Schiff gefahren, hätten wir al-Munahid vielleicht schon eingeholt. Dank Euch hat er jetzt einen Vorsprung von zwei Wochen. Ihr wisst, was geschieht, wenn ich das Zepter nicht bekomme. Ist es das, was Ihr wollt?«
    Im Halbdunkel der Gasse konnte er den Ausdruck in ihren Augen nicht sehen, doch er hörte, wie Kälte und Herablassung aus ihrer Stimme schwanden. »Lass mich los, Raoul. Bitte. Ich erzähle dir alles.«
    Vielleicht war diese plötzliche Vertrautheit nur eine weitere Täuschung, ein neuer Versuch, ihre wahren Absichten zu verschleiern. Doch Raoul war zu müde, den Streit fortzuführen. Er wollte endlich Antworten und ließ sie los.
    Jada versuchte nicht, fortzulaufen. Sie kreuzte ihre Arme vor der Brust, und ihre Hände berührten die Stellen, wo er sie festgehalten hatte. »Ich kann nicht mit einem Schiff fahren«, sagte sie. »Es liegt an meiner Gabe. Feuer kann mir nichts anhaben, dafür aber Wasser. Es kann mir schaden.«
    Schon wollte Raoul auflachen, wollte sie wieder eine Lügnerin nennen, da verstand er plötzlich, dass sie nicht log. Endlich ergab alles einen Sinn. »Deshalb also wolltest du dich in Konstantinopel
allein um ein Schiff kümmern - um vorzutäuschen, dass keines fährt«, sagte er. »Was für ein Glück, dass ich kein Griechisch spreche.«
    Die Ägypterin schwieg. Eine andere Antwort brauchte er nicht.
    Raoul betrachtete sie eindringlich, und plötzlich kam sie ihm zart und zerbrechlich vor. »Du hast mir bis jetzt nicht gesagt, warum du das Zepter suchst«, meinte er nach einer Weile.
    »Es gehört meinem Volk. Als Suleyman starb - Salomo, in deiner Sprache -, nahmen wir es an uns. Eine Edle aus meinem Dorf gab es Antonius. Als er sich in die Wüste zurückgezogen hatte, sprach man ihm Heilkräfte zu. Kranke und Verkrüppelte besuchten ihn scharenweise, und er litt darunter, ihnen nicht helfen zu können. Die Edle hatte Mitleid mit ihm und gab ihm das Zepter, wofür sie verbannt wurde. Unsere Ältesten wollten es zurückholen, doch Antonius war bereits vor den Römern geflohen. So ging das Zepter verloren.«
    »Erzähl mir von deinem Volk«, bat er sie, doch da fuhr ihr Kopf zum anderen Ende der Gasse herum.
    »Da ist jemand!«, sagte sie leise.
    Jetzt hörte Raoul es auch: Schritte, die auf dem Unrat knirschten. Er spähte um die Kehre und konnte im Halbdunkel gerade noch die Umrisse von drei bewaffneten Männern ausmachen, die langsam die Gasse entlangkamen.
    Der Vordere rief etwas, als er Raoul bemerkte. Alle drei liefen los.
    »Komm!«, stieß Raoul hervor, packte Jadas Hand und zog sie mit sich.
    »Raoul, da geht es nicht weiter«, rief Jada, und kurz darauf begriff Raoul, warum sie vorhin kehrtgemacht hatte: Sie befanden sich in einer Sackgasse. Vor ihnen erhob sich eine Mauer, zu hoch und zu glatt, um an ihr hinaufzuklettern.
    Fieberhaft blickte Raoul sich um. Da, da war eine Tür! Aber sie war verschlossen oder von innen vernagelt und ließ sich
nicht öffnen. Er ging einen Schritt zurück und trat mit aller Kraft dagegen. Die alte Holztür brach fast aus den Angeln. Er ließ Jada vorgehen und warf einen Blick über die Schulter. Trotz der Dunkelheit erkannte er, dass die Verfolger keine Bewohner dieses Viertels waren.
    Al-Munahids Leute!, dachte Raoul und folgte Jada ins Innere. Spärliches Licht fiel durch hohe, schmale Fenster in einen langgezogenen Saal voller Schatten und Stille. Bettgestelle standen links und rechts des Ganges, die meisten kaum mehr als Haufen morscher, wurmzerfressener Bretter. Die Luft war staubig und trocken, aber Raoul nahm noch etwas anderes in dem Saal wahr:

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