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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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lassen. »Bruder Abu Ammar«, fragte er ihn, »willst du den Teufel nicht steinigen?«
Arafat schüttelt den Kopf und gibt seinem Freund zu bedenken: »Vielleicht brauchen wir ihn noch.«
    Arafat wollte es sich mit keinem verscherzen. Aber so machte er Politik. Egal, aus welcher Richtung der Ball kam, er fiel fast immer dort zu Boden, wo Arafat ihn haben wollte. In diesem Fall hatte er sogar eine Konstellation im Auge gehabt, die für beide, Ägypter wie Palästinenser, die beste war, denn sein Gespräch mit Mubarak beendete die Isolierung Ägyptens. Er hatte einen Tabubruch begangen, gewiss, aber die ganze arabische Welt zog nach. Die Ägypter haben ihm das nie vergessen.
    Dennoch hatte Arafats Alleingang für böses Blut gesorgt, und jetzt war es in erster Linie mein alter Freund Hayel, der als Vermittler fungierte und die Gemüter besänftigte. Dabei kam ihm zugute, dass sich in diesem Kreis über die Jahre eine bestimmte Gewohnheit eingespielt hatte: Was immer geschehen sein mochte, früher oder später kehrte man zum Gespräch zurück. Es konnte schon einmal laut werden, aber man ließ es nie zum Zerwürfnis kommen. Im Grunde waren also nach einem Streit alle für jeden Vermittlungsversuch dankbar, denn eine Atmosphäre der Spannung vermochte keiner lange zu ertragen. Wie die Dinge im Zentralkomitee lagen, war Einmütigkeit die Voraussetzung für Einstimmigkeit, und Einstimmigkeit war die Bedingung für sämtliche Beschlüsse. Dieses System hatte unter den Männern der ersten Generation mit der Zeit zu einer starken Verbundenheit geführt, stärker als alle Differenzen. Da gab es eine besondere Mentalität, der Rechnung getragen werden musste, wenn man im Führungsgremium der PLO palästinensische Politik betrieb, und hier lag meiner Ansicht nach der Fehler von Issam Sartawi. Er mochte das verstanden oder gespürt haben, hatte es jedoch zu selten berücksichtigt.
    Aber Sartawi hatte der Fatah eben nicht von Beginn an angehört, er war erst nach dem Sechstagekrieg von 1967 dazugestoßen
und nicht in dieses Klima lebensnotwendiger Einmütigkeit hineingewachsen. Mein Vorteil war, dass ich die Gründer der Fatah schon als Kind kennengelernt hatte und sehr früh mit ihrer Mentalität vertraut wurde. Ich war zwölf oder dreizehn, als ich Abu Dschihad zum ersten Mal hörte, die ersten Fedajin aus nächster Nähe erlebte, zum ersten Mal ihren Berichten lauschte, zum ersten Mal ihre Waffen berührte, als ich zum ersten Mal Zeuge einer israelischen Militäraktion wurde, die verkohlten Soldaten in ihrem immer noch glimmenden Lkw, den Leichenberg im Hof unseres Hauses sah … Dies alles sind Erlebnisse, die an einem Jungen meines Alters nicht spurlos vorübergehen. Diese Bilder verblassen nicht, sie sind in die Erinnerung eingebrannt. Oft habe ich davon geträumt, oft habe ich sie auch bei dem Begräbnis eines ermordeten Freundes vor mir gesehen, wenn in meinem Kopf tatsächlich ein Film im Zeitraffer ablief und alle Kindheitsbilder in einem Augenblick wieder hochkamen. Die Persönlichkeit eines Menschen bildet sich um solche Erinnerungen herum.
    Jedenfalls fällt die Geschichte der Fatah und des palästinensischen Widerstands weitgehend mit meiner eigenen Lebensgeschichte zusammen. Und es entspricht, auch wenn es etwas romantisch klingen mag, durchaus meiner Erfahrung, wenn ich sage: Die erste Generation von Fatah-Führern war wirklich eine verschworene Gemeinschaft. Jeder wusste, welche Verantwortung auf der gesamten Führungsriege lag, jeder hatte verstanden, dass einer auf den anderen angewiesen war, und auch diesmal raufte man sich zusammen und machte sich wieder an die Arbeit.
    Auf der Suche nach zuverlässigen Verbündeten intensivierte Arafat von seinem neuen Exil in Tunis aus seine Kontakte mit aller Welt. Er arbeitete weiter, als wäre nichts geschehen, als hätte er den Libanon nie verlassen müssen. Seine Hauptsorge aber galt den verstreut lebenden Kämpfern. Die Exilierten hatte ein hartes Los getroffen, sie mussten sich in der Fremde,
von ihren Familien getrennt, eine neue Existenz aufbauen, und Arafat besuchte sie immer wieder an den Orten, an die es sie verschlagen hatte, traf Vorkehrungen, damit sie ein halbwegs normales Leben führen konnten, und zeigte sich sehr großzügig im Hinblick auf ihre Gehälter. Mit der Zeit verbesserte sich ihre Situation, sie zogen aus ihren provisorischen Lagern in richtige Häuser um und ließen in vielen Fällen ihre Familien nachkommen.
    Was ihnen die Anpassung an die

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