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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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neuen Verhältnisse erleichterte, war eine Eigenschaft, die für mich das hervorstechende Merkmal der Palästinenser ist: Sie besitzen die Fähigkeit, sich in allen Lagen zurechtzufinden, sich mit fast allen Gegebenheiten abzufinden. In Libyen lebten sie in der Wüste, fanden dennoch einen Weg, ihre Gärten zu bewässern, und nach einer Weile wuchsen dort Tomaten, Paprikaschoten und Zwiebeln – Gartenfrüchte, die für sie zum gewohnten Leben gehörten. »Aus eigener Kraft« – der Wahlspruch der Fatah ist auch das unausgesprochene Lebensmotto aller Palästinenser. Daher demütigte sie nach ihrer Vertreibung 1948 keine Erfahrung mehr als die, sich in die Schlangen vor den Ausgabestellen des Flüchtlingshilfswerks einreihen zu müssen, um Brot oder Schuhe oder Milchpulver wie Almosen in Empfang zu nehmen.
    Auch wir haben unsere historischen Erfahrungen, auch uns hat eine weit zurückreichende Vergangenheit geprägt. Palästina ist immer ein Durchgangsland gewesen: Zahllose Handelskarawanen, große Heere, ganze Völker ließen sich hier sehen, kamen und zogen weiter oder setzten sich fest und übten eine Zeitlang die Herrschaft aus. Die Besatzer konnten keinen Staat zerstören, weil sich die Palästinenser nie eine staatliche Ordnung gegeben hatten, aber der Effekt war, dass dieses Volk nie zur Ruhe kam. Ich bin sicher, dass eine solche Geschichte lebhafte, einsatzfreudige, freiheitsliebende, tüchtige Menschen hervorbringt. Erst die jüdischen Siedler hätten die
Wüste in eine grüne Oase verwandelt? Keineswegs. In vielen Interviews habe ich darauf hinweisen müssen, dass auch wir das Land kultiviert, gepflügt und Plantagen angelegt haben – mein Vater ist das beste Beispiel dafür –, nur pflegten wir nicht, unser Land über unseren Bedarf hinaus zu bebauen. Nein, die grüne Wüste ist ein israelischer Mythos, aber keine jüdische Erfindung.
    Auch die Juden, auch die Israelis sind seit nunmehr über hundert Jahren ein Teil unserer Geschichte, auch sie haben uns zwangsläufig geprägt. Und sie waren ein unvergleichlicher Gegner. Ihrerseits über lange Zeit mit einer feindseligen Umwelt konfrontiert, haben die Juden durch ihren Intellekt überlebt, sich immer wieder aus sich selbst heraus erneuert. Intelligenz bildet das Rückgrat dieses Volkes. Wir Palästinenser haben unter ihnen gelitten, aber auch davon profitiert, es mit einem derart brillanten Feind zu tun gehabt zu haben. Die Israelis stellen für uns bis auf den heutigen Tag eine einzigartige Herausforderung unserer physischen, seelischen und geistigen Kräfte dar. Man wächst an einem solchen Feind.
    Davon abgesehen: Die neuen Wohnorte hatten für unsere Kämpfer und deren Familien zumindest den einen großen Vorzug, vor Luftangriffen der Israelis sicher zu sein.

Der Aufstand der Steine
    Im September 1985 beriet das kleine Kabinett der Israelis über einen Plan zur Ermordung Arafats. Es lässt sich nicht sagen, wie viele solcher Pläne schon erdacht worden waren, seit die Israelis 1967 erstmals versucht hatten, Arafat auszuschalten, und beim Sturm auf sein Versteck in Nablus nur einen Teller mit seinem Mittagessen vorgefunden hatten. Aber diesmal war man zuversichtlich. Der neue Plan ließ ein Entkommen unmöglich erscheinen, er trug, wie üblich, die Handschrift Ehud Baraks, und nur ein Einziger in der Runde um Ministerpräsident Schimon Peres sprach sich gegen ihn aus: der Verteidigungsminister und Luftwaffenpilot Ezer Weizmann. Weizmann war kategorisch gegen militärische Aktionen, weil er die Zeit für Verhandlungen gekommen sah. Alle anderen Beteiligten gingen davon aus, dass Verhandlungen sich erübrigen würden, sollten die Palästinenser erst führungslos sein, und zweifelten nicht daran, das Kapitel Arafat endgültig abschließen zu können, als in den Morgenstunden des 1. Oktober die Phantomjets aufstiegen und Kurs auf Tunis nahmen.
    Gegen 10 Uhr erreichten sie die Küste Tunesiens und bombardierten Minuten später Arafats Hauptquartier in Hammam asch Schatt, einen gewöhnlichen Bürohauskomplex, keine Festung, genauso leicht zu zerstören wie die Hochhäuser in Beirut. Die Israelis triumphierten, die Tunesier waren bestürzt, und alle Welt ging davon aus, dass Arafat nicht mehr unter den Lebenden weilte.
    Bis er im Fernsehen auftrat. Einundsiebzig Menschen, Palästinenser wie Tunesier, fanden in den Trümmern den Tod,
doch Arafat gehörte nicht zu ihnen. Das Ausmaß der Blamage für Israel entsprach dem Aufwand, den es betrieben hatte,

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