Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik
Ausbildern und Waffen ausgeholfen hatte. Jedenfalls vergaß Arafat nie, was er Honnecker verdankte, und unterstützte ihn – ohne es an die große Glocke zu hängen –, als alle anderen ihn fallenließen, nachdem Honecker Deutschland verlassen hatte und in Chile lebte.
Von den Ägyptern, den Saudis und der Arabischen Liga vermittelt, kam im September ein Waffenstillstand mit den Syrern zustande, und erneut brachten sich palästinensische Kämpfer auf Schiffen in Sicherheit, die nun Kurs auf den Jemen nahmen. Die aus Beirut Evakuierten waren über beinahe die ganze arabische Welt verteilt worden, und jetzt hatte sich
der Jemen zur Aufnahme der restlichen Fedajin bereiterklärt, weil die Zahl der Palästinenser in Tunesien auf Drängen der Amerikaner niedrig gehalten werden sollte.
Die Schiffe mit Arafat, Abu Dschihad, Hayel und den Nachzüglern aus Tripoli steuerten den Suezkanal an, als sich der Soldat Arafat wieder in den Politiker Arafat verwandelte und den Entschluss fasste, den ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak in Kairo zu treffen. Um das, was nun folgte, verständlich zu machen, muss ich einige Jahre zurückgehen.
Mubaraks Vorgänger Sadat hatte nach dem Oktoberkrieg 1973 mit seinen arabischen Freunden dasselbe Versteckspiel getrieben, das er zuvor mit den Israelis gespielt hatte, und Geheimverhandlungen mit Israel geführt. Als er die Bombe 1977 platzen ließ, war im Prinzip bereits alles geklärt – Sadats Reise nach Jerusalem, seine Rede vor der Knesset, die Verhandlungen unter der Schirmherrschaft der Amerikaner in Camp David, dem Sommersitz des amerikanischen Präsidenten Jimmy Carter. Mit anderen Worten: Um die Sinaihalbinsel zurückzugewinnen, war Sadat zu einem Separatfrieden mit Israel bereit. Und sein Plan glückte. Sadat erhielt den Sinai tatsächlich zurück – bezahlte ihn aber mit seiner vollständigen Isolierung in der arabischen Welt: Boykott, Abbruch der diplomatischen Beziehungen, Verlegung des Sitzes der Arabischen Liga von Kairo nach Tunis. Nach der Ermordung Sadats im Jahr 1981 trat sein Nachfolger Husni Mubarak dessen Erbe an, das heißt: Auch er war für den Rest der arabischen Welt »persona non grata«.
Doch für Arafat zählten die Erfordernisse des Augenblicks, nicht die Wahrheiten von gestern. Er ging von der richtigen Einschätzung aus, dass Ägypten unter den gegebenen Umständen der einzige Verbündete von Gewicht wäre, da Syrien bei seiner unversöhnlichen Haltung der PLO gegenüber blieb und die anderen arabischen Staaten ohnehin von geringem Nutzen waren. Er machte seine Ankündigung wahr, verließ in
Suez das Schiff und flog mit dem Hubschrauber nach Kairo. Auf dieselbe Art kam er zurück – und die Hölle war los.
Alle seine Freunde aus dem Zentralkomitee waren dagegen gewesen, alle fühlten sich durch seinen Alleingang übergangen, alle überhäuften ihn jetzt mit Vorwürfen und Kritik. Abu Mazen beurteilte Arafats Abstecher nach Kairo noch am mildesten, konnte aber auch nicht verhindern, dass die Gruppe der schärfsten Arafat-Kritiker sogar eine Presseeklärung herausgab, in der sie jede Verantwortung für die Eigenmächtigkeit Arafats von sich wies und seine Eskapade verurteilte. Ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der Fatah – nie zuvor hatten sich Abu Dschihad, Abu Iyad oder Kadumi öffentlich von Arafat distanziert. Und wie reagierte der Beschuldigte?
Die ganze Angelegenheit ist ein großartiges Beispiel für Arafats Art, Politik zu betreiben. Als er nämlich den Vorabdruck der Presseerklärung in Händen hielt und unser Mann von der Informationsabteilung ihn auf die Brisanz dieses Schriftstücks hinwies, dachte Arafat kurz nach und meinte dann: »Im Gegenteil. Das ist sehr gut. Dieses Kommuniqué wird die Damaskus-Freunde in der PLO erfreuen. Damit verhindern wir, dass der Kontakt zu diesen Leuten abreißt und die PLO zerfällt.« Er nahm diesen unfreundlichen Schritt seiner erbosten Mitstreiter gar nicht persönlich. Er reagierte, wie es seine Art war, als Taktiker, der sofort die Möglichkeiten erkennt, die sich durch eine unvorhergesehene Entwicklung eröffnen. Dieses Verhalten war so charakteristisch für ihn, dass es den Stoff zu folgendem Witz lieferte: Arafat pilgert mit Abu Iyad nach Mekka. An einer bestimmten Stelle wirft man sieben Steine nach einem Pfahl, gemeint als symbolische Steinigung des Teufels. Abu Iyad wirft also seine Steine und bemerkt, dass Arafat keine Anstalten macht, dem Teufel dieselbe Behandlung zukommen zu
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