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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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wenigstens, dem genauso viel wie mir daran lag, in dieser Stunde, an diesem Ort die Fronten zu klären! In diesem Augenblick hätte ich mein Leben für ihn geopfert. Ich blieb an meinem Platz, sprach lauter, wurde deutlicher und ließ, von Arafat durch Blicke und Zeichen ermuntert, alle Vorsicht fahren. Mir fiel schon auf, dass andere sich unbehaglich fühlten, mir war bewusst, dass ich für syrische Ohren zu weit ging, aber es focht mich zu meiner eigenen Verwunderung nicht an – bis mich am Ende der Sitzung jemand fragte: »Weißt du überhaupt, wo wir hier sind?«, und Arafat mir dringend riet, diese Nacht nicht in meinem Hotelzimmer zu verbringen. Da wusste ich, dass ich in Lebensgefahr schwebte.
    Meine Lufthansa-Maschine sollte am nächsten Morgen um 7 Uhr fliegen. Ich begab mich als Erstes zu Hayel, der bei seiner Schwester untergekommen war. Auch er rechnete mit einer Reaktion der Syrer auf meine Rede und schlug mir vor, die Nacht bei ihm zu verbringen. Dann fuhr ich ins Hotel, um meine Koffer zu holen. Mein Zimmer lag im zweiten Stock. Ich nahm die Treppe, blickte vorsichtig den Gang hinunter und sah vor meiner Tür zwei Männer in Zivil sitzen. Syrischer Geheimdienst. Ich gab meine Koffer verloren (ich hatte mir
schon vor langer Zeit angewöhnt, das Nötigste – Zahnbürste, Rasierapparat, zwei frische Hemden – stets in einer Umhängetasche mitzuführen), stieg ohne Hast die Treppe wieder hinunter und fuhr zu Hayel. »Versuchen wir vor allem, dich heil durch den Flughafen zu bringen, und zwar so schnell wie möglich«, sagte Hayel und rief unseren Verbindungsmann am Flughafen an. Der riet mir, schon morgens um drei zu kommen, wenn kaum etwas los war, und die Maschine nach Belgrad zu nehmen. Meine Reservierung für den Flug nach Frankfurt annullierte ich nicht.
    Muhannad, unser Verbindungsmann, kannte im Flughafen von Damaskus alles und jeden und lotste mich durch einen Seiteneingang an der Polizei vorbei. Noch kurz vor dem Start rechnete ich damit, aus dem Flugzeug geholt zu werden, aber ich war an Bord, als die Maschine abhob. Ich hatte unverschämtes Glück gehabt. Wäre ich aus Damaskus nicht herausgekommen, hätte man mich nie wiedergesehen. Muhannad wurde einige Tage später von den Syrern verhaftet und starb im Gefängnis. Und noch am Tag unserer Sitzung entging Arafat einem Anschlag nur deshalb, weil er ihn im letzten Augenblick kommen gesehen hatte.
    Während Arafat an der einen Front gegen die Spaltung der Fatah kämpfte, sah sich Abu Dschihad an der militärischen Front so starken Angriffen der Syrer und Falangisten ausgesetzt, dass er sich im August 1983 nicht mehr anders zu helfen wusste, als die Reste seiner Kräfte in der nordlibanesischen Hafenstadt Tripoli zusammenzuziehen und sich dort zu verschanzen. Sie wurden belagert, es gab Tote, ein neues Beirut drohte. Daraufhin entschloss sich Arafat zu einem Coup, der jedem Verfasser von Agentenromanen Ehre gemacht hätte – der Dichter Mahmud Darwisch nannte es »die größte Heldentat eines bewegten Lebens.«
    Ohne uns zu unterrichten – selbst seine engsten Vertrauten im Zentralkomitee ließ er im Dunkeln, nur ein Einziger wusste
Bescheid – flog er, als Geschäftsmann getarnt, unter falschem Namen, im dunklen Anzug, mit Aktenköfferchen und Hut und ausnahmsweise sogar glatt rasiert, von Tunis nach Larnaka auf Zypern – von niemandem erkannt! Dort bestieg er ein Schnellboot, fuhr übers offene Meer und ließ sich am Strand von Tripoli absetzen, nachdem er das Outfit des Geschäftsmanns gegen den üblichen Kampfanzug getauscht hatte. Die Menschen in Tripoli liefen zusammen, sie trauten ihren Augen nicht … Ein gefährliches Unternehmen, diese Anreise, aber Arafat wusste: Wenn es ihm nicht gelänge, eine Wende herbeizuführen, würden seine Leute abgeschlachtet oder zu den Syrern überlaufen.
    In Tripoli leitete Arafat den Abwehrkampf zusammen mit Hayel und Abu Dschihad. Aber vielleicht wäre die Sache dort trotzdem schiefgegangen, vielleicht hätten die Syrer in Tripoli erreicht, was den Israelis versagt geblieben war, wenn nicht Erich Honecker, der Staatsratsvorsitzende der DDR, den eingeschlossenen Arafat von der See aus mit Waffen beliefert hätte. Honecker war der Einzige, der Arafat in dieser Situation zu Hilfe kam, und Arafat hat es ihm nie vergessen. Die Beziehungen der beiden Männer waren ja ohnehin freundschaftlich, auch deshalb, weil Honecker Tausende palästinensischer Studenten aufgenommen und früher schon mit

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