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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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Stadträte – sie wurden nach Belieben entlassen, verhaftet, verschleppt oder umgebracht.
    In diesem Zusammenhang darf auch der Widerstand in Israel selbst nicht verschwiegen werden. Im Jahr 1980 enthüllten israelische Reservisten in einem Brief an Menachem Begin, wie sie von ihren Vorgesetzten dazu angehalten worden waren, Araber zu demütigen und zu schlagen. Einige verweigerten den Dienst in den besetzten Gebieten und wurden mit Gefängnis bestraft, und eine Handvoll israelischer Rechtsanwälte setzte sich unerschrocken für die Verfolgten ein. Die Regel war das natürlich nicht. Die Regel war, dass Palästinenser von den Israelis als Menschen dritter oder vierter Klasse behandelt wurden.
    Nur ein harmloses Beispiel für die Umgangsformen, die die Besatzungsmacht im Verkehr mit Palästinensern für angemessen hielt: Im Jahr 1980 hielt sich meine Frau zwei Wochen lang mit Baschar und Muna bei meinen Eltern in Gaza auf. Nach ihrer Abreise wurde mein Vater zum Verhör zitiert. In dem Gebäude der israelischen Verwaltung gab es keinen Aufzug, und der Offizier, der ihn sprechen wollte, hatte sein Büro im vierten Stock. Mein Vater war also gezwungen, bei der üblichen Hitze mit seinen einundsiebzig Jahren und seiner Gehbehinderung die Treppen hinaufzusteigen. Ob er einen Vater habe?, fragte er den israelischen Offizier, nachdem er wieder zu Atem gekommen war. Der bejahte. »Was würdest du sagen«, fuhr er fort, »wenn jemand mit deinem Vater so verfahren würde, wie du mit mir verfährst?« Zur Ehrenrettung des
Offiziers muss gesagt werden, dass ihn diese Frage in Verlegenheit brachte; trotzdem wollte er Einzelheiten über den Besuch meiner Frau wissen. Mein Vater ließ sich nicht darauf ein, und damit war das Verhör beendet. Für eine Lappalie hatte sich mein Vater vier Stockwerke hinaufgequält.
    Fast genau zwanzig Jahre nach der Besetzung des Westjordanlands, am 8. Dezember 1987, brach der Aufstand los, ausgelöst durch einen – wohl absichtlich herbeigeführten – Unfall: Im Gazastreifen fuhr ein israelischer Lastwagen in eine Gruppe von Männern, die auf dem Weg zu ihren Arbeitsstätten in Israel waren; es gab vier Tote und sieben Verletzte. Das war der Funke im Pulverfass. Alles kam in diesem Moment zusammen: die schrecklichen Opfer, die die Palästinenser in Jordanien und im Libanon gebracht hatten, die pausenlosen Ermordungen und Attentate, die systematische Demütigung und Ausbeutung der Bewohner in den besetzten Gebieten. Hinzu kamen die schmerzhafte Erkenntnis, dass die Führungsspitze des palästinensischen Widerstands seit Jahren 3000 Kilometer entfernt in der tunesischen Verbannung saß, und die Tatsache, dass in Gaza wie im Westjordanland eine Generation herangewachsen war, die nichts als Unterdrückung kannte. Diese Jugendlichen hatten die Schlacht von Karame, die Vertreibung aus Jordanien, die Massaker im Libanon und die Ermordungen im Ausland miterlebt, und all dies verfehlte seine Wirkung auf die jungen Leute nicht.
    Unser Augenmerk richtete sich jetzt auf die besetzten Gebiete. Als PLO waren wir entschlossen, diesen Aufstand zu unterstützen, und zwar so, dass die Israelis ihn zu spüren bekämen. Von Tunis aus lenkte Abu Dschihad das Geschehen in Palästina; seit der Ermordung von Kamal Adwan war mein alter Freund für den Widerstand in den besetzten Gebieten zuständig. Der Aufstand nahm rasch an Heftigkeit zu, aber es war kein militärischer, sondern ein passiver Widerstand. Man demonstrierte, streikte, stellte die Steuerzahlungen ein, boykottierte
israelische Waren und setzte alles daran, sich von israelischen Produkten unabhängig zu machen – jeder sollte seinen Bedarf möglichst mit dem decken, was sein eigener Garten hergab. Doch es war ein flächendeckender Aufstand, und er erfasste alle Schichten der palästinensischen Gesellschaft.
    Die Brennpunkte des Aufstands aber waren die Universitäten, die Intifada war also in erster Linie eine Studentenbewegung. Die Sammelbezeichnung Schabiba bezog sich allerdings auf sämtliche aufständischen Jugendlichen – sie lautet in deutscher Übersetzung einfach »die Jungs«. Mit der Zeit organisierte sich die Schabiba und stand dann in engem Kontakt mit Abu Dschihad, ohne die Fatah in ihren Verlautbarungen namentlich zu erwähnen. Die Intifada arbeitete also der PLO in die Hände, und umgekehrt förderte die PLO den Aufstand, hauptsächlich in der Form finanzieller Unterstützung von Hochschulen und ähnlichen Einrichtungen.
    Auch in

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