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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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Deutschland lief die Arbeit nun mehr und mehr darauf hinaus, die Solidarität der palästinensischen Studenten mit den Studenten in Palästina zu organisieren, durch Geldspenden, Einladungen, Einschalten diverser Stiftungen und Menschenrechtsorganisationen und durch eine Pressearbeit, die Journalisten für eine ausführliche Berichterstattung über die Vorgänge in Palästina gewinnen sollte. Und tatsächlich erregte die Erste Intifada ein nie dagewesenes Aufsehen. 1936 war es unter den Arabern Palästinas zu einem sechs Monate währenden Aufstand gekommen, ohne dass die Welt ihn zur Kenntnis genommen hätte – jetzt lieferte die Intifada weltweit Schlagzeilen.
    Die öffentliche Aufmerksamkeit in Deutschland und Europa war also bereits groß, als die israelische Armee von Verteidigungsminister Jitzchak Rabin den Befehl erhielt, diesen Aufstand gewaltsam niederzuschlagen und all jenen, die sich widersetzten, Arme und Beine zu brechen. Was seine Soldaten
auch taten, indem sie Steine werfenden Jugendlichen die Rippen brachen oder Arm- und Beinknochen mit den Kolben ihrer Gewehre zerschlugen. Arafat war weitsichtig genug, den Aufständischen trotzdem zu verbieten, Schusswaffen gegen die israelische Armee einzusetzen. »Dieses Verbot […] soll die Israelis daran hindern, Massaker zu begehen«, sagte er. »Unsere Stärke liegt nicht in der Art unserer Waffen, sondern in der Gerechtigkeit unserer Sache.«
    Bei Rabin handelte es sich um denselben Mann, der nach dem Oslo-Abkommen vom 13. September 1993 zu einem Frieden mit Arafat bereit war und seinen – zunächst zögerlichen, dann entschiedenen – Einsatz für einen palästinensischen Staat mit dem Leben bezahlte. Rabin war für seine schroffe, herablassende Art bekannt, doch immerhin war er mit einem bei Israelis seltenen Sinn für politische Realitäten gesegnet. Einen völlig anderen Menschentyp verkörperte sein direkter palästinensischer Gegenspieler, Faisal Husseini.
    Kultiviert, gebildet und integer, gehörte Faisal Husseini zu den ganz wenigen Gestalten aufseiten der Palästinenser, denen auch die Israelis Respekt entgegenbrachten. In seinem Fall grenzte der Respekt sogar an Bewunderung, obwohl er als Mitglied des Zentralkomitees der Fatah eigentlich zu den Geächteten gehörte. Doch Faisal Husseini war in mancher Hinsicht anders. Bei diesem Spross einer alteingesessenen Jerusalemer Familie verbanden sich Klugheit und Humor mit einer sachlichen, jedermann verständlichen Ausdrucksweise zu einer Persönlichkeit, der niemand seine Hochachtung verweigern konnte. Im Ausland so anerkannt wie in Israel populär, bereiste er mehrmals Europa und hielt auch in Bonn Vorträge, vor Gästen der Friedrich-Ebert-Stiftung zum Beispiel. Dieser Mann war der anerkannte Sprecher der Palästinenser in den besetzten Gebieten und stand nun der vereinigten nationalen Führung vor, die die Streiks und Demonstrationen der Aufständischen im Gazastreifen wie im Westjordanland koordinierte,
wobei sich Faisal Husseini immer wieder mit Abu Dschihad in Tunis abstimmte. Sein Name wird für alle Zeit mit der Ersten Intifada verbunden bleiben.
    Die Empörung über einen als Unfall getarnten Anschlag war in einen regelrechten Volksaufstand umgeschlagen. Den »Aufstand der Steine« nannten wir diese Aufwallung der Wut und der Selbstachtung. Nachdem die Israelis sie zunächst nicht weiter ernst genommen hatten, wuchs sie sich nach wenigen Monaten zu einer derartigen Belastung für Israel aus, dass Rabin sich nicht anders zu helfen wusste, als das Erstarken der Hamas in Gaza zu fördern. Israelische Unterstützung für ein Konkurrenzunternehmen zur PLO, das war die eine strategische Maßnahme, durch die Rabin die entfesselten Kräfte zu bändigen suchte. Die andere war, Abu Dschihad auf die Todesliste des Mossad zu setzen.

Ein virtueller Staat wird proklamiert
    Die 80er-Jahre waren für uns in Deutschland ein Jahrzehnt der Erfolge. Die Grünen standen ohnehin von Anfang an auf unserer Seite, auch die SPD zeigte sich uns gegenüber immer aufgeschlossener, und selbst die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung scheute sich nicht mehr, Palästinenser aus den besetzten Gebieten zu Vorträgen einzuladen. Egal, ob der Bundeskanzler Helmut Schmidt oder Helmut Kohl hieß, die deutschen Regierungen gaben nie zu erkennen, dass ihnen diese Kontakte zwischen unseren Leuten und deutschen Institutionen unlieb wären. Einen Besuch von Arafat hätten sie vermutlich nicht gern gesehen. Im Übrigen aber ließ man mir

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