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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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hätten, um diese Pläne zu vereiteln, dann säßen Sie heute nicht hier. Und ich auch nicht. Seien Sie doch realistisch! Was können Sie militärisch gegen Israel ausrichten? Gar nichts! Wer will für euch kämpfen? Niemand! Ihr habt keine Chance. Glaubt ihr etwa an diese ›Venedig-Erklärung‹? Das sind Verlautbarungen,
die hinterher kein Mensch mehr liest. Und die Sowjetunion wird keinen Finger für euch krümmen …« Kurzum, sein Rat an mich lautete: Nicht schießen, sondern arbeiten und vergessen!
    Sein Vergleich mit Deutschland mochte unzutreffend sein, aber seine Kenntnisse über den Nahen Osten waren beeindruckend. Es kam zu einem fruchtbaren Gespräch, in dessen Verlauf Strauß die verschiedensten Themen anschnitt und sich als scharfsiniger Analytiker erwies, der vor allem mit einer Bermerkung zu dem Milliardenkredit, den die DDR auf sein Betreiben hin drei Jahre zuvor erhalten hatte, verblüffenden Weitblick bewies. »Die Bundesrepublik muss alles tun, um die DDR wirtschaftlich zu stützen«, sagte er. »Denn wenn die Einheit kommt, darf die Wirtschaftskraft des Ostens und die des Westens nicht so weit auseinanderklaffen, dass der Graben unüberbrückbar ist.«
    Strauß war ein Mann der Weltpolitik. Unser Freund war er nicht, dennoch hatte ich den Eindruck, dass sich jemand wie er gut mit Arafat verstehen würde. Darum wagte ich es, ihn am Schluss zu fragen, ob er schon einmal daran gedacht habe, den PLO-Führer zu treffen. Strauß blickte mich ungerührt, aber keineswegs missbilligend an und sagte: »Nein.« – »Ich könnte mir denken, dass es zwischen Ihnen und Präsident Arafat zu einem fruchtbaren Gedankenaustausch käme«, hakte ich nach. Er überlegte, blickte dann auf und sagte: »Warum nicht?«, um sogleich hinzuzufügen: »Aber nicht in Deutschland.« Ich schlug also vor, nach Griechenland oder Zypern auszuweichen, und Strauß willigte unter diesen Umständen tatsächlich in ein Treffen mit Arafat ein.
    Leider kam es nicht dazu. Zwei Jahre später starb Franz Josef Strauß, ohne Arafat begegnet zu sein. Es ist anzunehmen, dass dieses Gespräch beide Männer nachdenklich gestimmt und womöglich Folgen für die deutsche Nahostpolitik gehabt hätte.

    Im Übrigen hatte ich das Glück, dass sich die deutschen Journalisten bei fast allen Fragen, die den Nahen Osten betrafen, an mich wandten. Aus dem einfachen Grund, weil wir als das Problem im Nahen Osten galten und ich der Vertreter Arafats war. So entstand in diesen Jahren, noch vor der offiziellen Anerkennung der PLO, ein dichtes Geflecht von Beziehungen, Berührungspunkten und Freundschaften zwischen den Vertretern aller politischen und gesellschaftlichen Kräfte in Deutschland und jenen, die ein künftiges Palästina repräsentierten: meinen Landsleuten, dem Führungspersonal der Fatah und mir. Vieles ergab sich einfach, wie die monatliche Reise der arabischen Botschafter in die Bundesländer, vieles war gar nicht geplant, und meine Tage waren beinahe zum Bersten gefüllt mit Auftritten, Vorträgen, Gesprächen oder auch Festen, die wir für die Palästinenser in Deutschland veranstalteten. Man führt ein aufreibendes Leben, wenn man keine Einladung ausschlägt, wenn man jeden Interviewtermin wahrnimmt, aber ich war glücklich und mit den Ergebnissen sehr zufrieden.
    Am 16. April 1988 war ich im Begriff, von Frankfurt nach Katar zu fliegen, um von meiner Mutter Abschied zu nehmen. Während eines Besuchs bei meinem jüngsten Bruder war sie erkrankt und in ein Hospital eingeliefert worden; jetzt lag sie im Sterben und hatte mich gebeten zu kommen. Am Flughafen erreichte mich ein Anruf von Benita. Abu Dschihad sei in der letzten Nacht ermordet worden, sagte sie. Ich änderte meine Pläne. Ich nahm eine Maschine nach Tunis und ließ mich direkt zu Abu Dschihads Wohnung fahren. Unterwegs fragte ich mich – zum wievielten Mal in meinem Leben? –, wie es ein Mensch verkraften soll, einen Freund nach dem anderen auf diese Weise zu verlieren. Damals sagte ich mir: Wenn seine Frau und seine Tochter es aushalten, dann wirst auch du damit fertigwerden.
    Die Villa von Abu Dschihad lag in einem gediegenen Viertel im Norden der Stadt. Soweit sich der Tathergang rekonstruieren
ließ, waren vier Männer eines israelischen Kommandos nach Mitternacht in sein Anwesen eingedrungen. Ob sie als Touristen eingereist oder übers Meer gekommen waren, ließ sich nie klären, sicher war aber, dass sie leichtes Spiel gehabt hatten. Der einzige Wächter, ein älterer

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