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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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Verrat auf diese Weise nicht. Im Jahr 2009, vor der Wahl zum Zentralkomitee auf dem Parteitag in Bethlehem, wurden dieselben Vorwürfe von anderen erneut erhoben und diesmal auch im Internet verbreitet, mit dem Erfolg, dass ich meinen Posten im Zentralkomitee nach zwanzig Jahren aufgeben musste.
    Ich hatte nun also Eingang in die Löwengrube gefunden und musste mich zunächst einmal an die Arbeitsweise, die Usancen, die Art des Umgangs im Zentralkomitee gewöhnen. So hatte sich zum Beispiel an dem langen Tisch, an dem alle Beratungen stattfanden, eine gewisse Ordnung eingespielt: Arafat saß am Kopfende, und dann folgte die Sitzverteilung einer Hierarchie, die den Zeitpunkt des Eintritts berücksichtigte  – je länger einer dabei war, desto näher saß er an Arafat. Abu Iyad zum Beispiel nahm grundsätzlich gleich zu seiner Rechten Platz, während Neulingen wie mir das andere Tischende zugewiesen wurde; anfangs saß ich also am weitesten von Arafat entfernt.
    In diesem Kreis von Männern, zu dem etliche alte Kämpfer gehörten, musste man sich behaupten, was nicht ganz einfach war. Arafat etwa, der sich hier auf seinem ureigenen Terrain bewegte, zügelte seine Lust, Leute aufs Korn zu nehmen, im Zentralkomitee noch weniger als sonst – wer durch Selbstgefälligkeit oder sonst wie sein Missfallen erregt hatte, den schnappte er sich wie ein Gecko, der seine Zunge nach einer Fliege abschießt. Arafat widerstand ja selten der Versuchung, andere zur Zielscheibe seines Spotts zu machen, wobei
er Wehrlose allerdings grundsätzlich verschonte und den Spott auch nie so weit trieb, dass sich jemand verletzt fühlen musste.
    Womit ich es in seinen Augen auch immer verdient hatte – auf meiner ersten Zentralkomiteesitzung griff er mich plötzlich an. Seine Attacken kamen für mich aus heiterem Himmel, und ich beschloss, nicht zu reagieren. »Warum schweigst du?«, fragte mich Abu Iyad vom anderen Ende des Tisches her. »Ich habe nie meinem Vater widersprochen, und Bruder Abu Amar ist für mich wie ein Vater«, sagte ich. Da stand Arafat auf, ging um den Tisch herum, stellte sich hinter mich, küsste mich zwei-, dreimal auf den Kopf und entschuldigte sich. Ein bisschen Theater war schon dabei, doch seine Gesten waren stets ein Zeichen von Souveränität und echter Warmherzigkeit, und in der Kunst, Spannungen im Handumdrehen aus der Welt zu schaffen, wurde er von keinem übertroffen. Nur seinen Zorn musste man fürchten. Wenn Arafat zürnte, war er nicht mehr zu bändigen. Und sein Zorn entbrannte immer dann, wenn er sich getäuscht oder hintergangen fühlte, in solchen Fällen konnte er außer sich geraten.
    Ein knappes Jahr nach meinem Eintritt ins Zentralkomitee beschwor Arafat eine Situation herauf, mit der keiner je gerechnet hätte. Er vertraute uns an, geheiratet zu haben, und verpflichtete uns zu demselben absoluten Stillschweigen in der Öffentlichkeit, das er auch mit seiner Braut vereinbart hatte. Wir hielten dicht, an uns sollte es nicht liegen, aber früher oder später würde die Sache herauskommen, und für diesen Fall sahen wir Ärger voraus. Keinem war bei der Aussicht wohl, dass Arafats Ansehen beim palästinensischen Volk durch diese Heirat Schaden nehmen könnte.
    Eigentlich war es nichts Ungewöhnliches für die Mitglieder des Zentralkomitees, verheiratet zu sein, aber an Arafat wurden andere Maßstäbe angelegt. Auch die Tatsache, dass seine Frau Suha vorher als seine Sekretärin gearbeitet hatte, konnte
als ein Umstand erscheinen, der in seinem Fall fast ein wenig degoutant wirkte. Dazu kam der Altersunterschied – Arafat war 61, Suha 27. Mit anderen Worten: Auch ich war skeptisch. Im Übrigen kam es in der Folgezeit wiederholt zu der peinlichen Situation, dass Männer bei Arafat um die Hand der jungen, schönen Palästinenserin anhielten in der Annahme, sie sei lediglich seine Mitarbeiterin – doch diese Missverständnisse aufzuklären fiel zum Glück nicht in unsere Zuständigkeit.
    Die Ehe blieb ein wohl gehütetes Geheimnis, bis die israelische Zeitung Haaretz am 2. Februar 1992 einen Artikel über Arafats Hochzeit veröffentlichte. Zu diesem Zeitpunkt lag die Heiratsurkunde schon seit anderthalb Jahren in Arafats Schublade – zusammen mit einem Dokument, das den Übertritt seiner christlichen Geliebten zum Islam bestätigte –, und wie wir befürchtet hatten, schlug die Nachricht wie eine Bombe ein. Hatte Arafat nicht wieder und wieder betont, mit Palästina verheiratet zu sein? Jetzt

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