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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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sprachen die Leute mit leisem Spott davon, er habe wohl »die Tochter von Palästina« geheiratet. Wahrscheinlich wäre den meisten ein klares, offenes Bekenntnis des PLO-Führers gleich nach seiner Heirat lieber gewesen, aber Arafat hatte auch in diesem Fall wieder einmal als Taktiker gehandelt.
    Einzig Benita brachte von Anfang an Verständnis für ihn auf. Für sie ging Liebe vor Politik, und sie verteidigte leidenschaftlich Arafats Recht auf ein Privatleben. Ihr Argument, Arafat sei ein Mann wie andere auch, war schwer zu widerlegen, also flogen wir nach Tunis, machten Herrn und Frau Arafat unsere Aufwartung und wurden von ihnen zum Frühstück eingeladen. Zum ersten Mal erlebte ich ihn nun als Ehemann und Privatperson, und allmählich gewöhnte ich mich daran, Arafats Verhalten nicht allein nach dem Gesichtspunkt politischer Vernunft zu beurteilen. Aber für mich wie für viele andere bedeutete es doch eine große Umstellung, in ihm einen Mann wie jeden anderen zu sehen.

    Tatsache war, dass Arafat nach seiner Hochzeit das politische Tier blieb, das er immer gewesen war. Ein Mensch, der seine Seele Palästina verschrieben hatte und mit jeder Faser seines Leibes an seinem Land hing. Etwas anderes als ein hundertprozentiger Einsatz für seine politischen Ziele kam für ihn nicht infrage. Er war der geborene Kämpfer. In politischen Diskussionen oder Verhandlungen war er hart, bisweilen stur, bisweilen ruppig. Bei internen Diskussionen oder Beratungen stritt er so lange für seine Vorstellungen, bis alle anderen erschöpft aufgaben und sich von ihrer Zustimmung ein Ende des Debattierens erhofften. Und wenn bis morgens um drei diskutiert wurde, und wenn Gespräche eine ganze Woche lang dauerten, Arafat ließ nicht locker. Gleichwohl trat er nicht diktatorisch auf. Er wollte überzeugen. Nur dass er die Opposition in Grund und Boden redete, bis sie entkräftet die Waffen streckte …
    Seit meiner Ankunft in Deutschland kannte ich nichts anderes als arbeitsreiche Jahre, aber das Pensum von 1990 übertraf alles Bisherige. Einmal im Monat nahm ich für eine Woche an den Sitzungen des Zentralkomitees in Tunis teil, wo ich nun auch ein Büro und eine Privatwohnung hatte. Ob mir die Arbeit die gleiche Freude gemacht hätte, wenn nicht auch Hani Hassan und Hayel Abdel-Hamid an besagtem langem Tisch gesessen hätten? Meine beiden Freunde aus alten Frankfurter Tagen gehörten nämlich ebenfalls dem Zentralkomitee an, und damit war die »deutsche Bande« (mit Ausnahme von Amin) wieder beisammen – eine Geschichte, die vor 28 Jahren in einem Frankfurter Studentenverein begonnen hatte, fand ihren vorläufigen Höhepunkt an einem Tisch, wo wir mit Arafat, Abu Iyad und Faruk Kadumi zusammensaßen. Hani Hassan war seit Langem Chef der politischen Abteilung, zuständig für internationale Beziehungen und damit so etwas wie der Außenminister der Fatah; ich wurde zu seinem Stellvertreter bestimmt, und damit begann für mich eine bewegte Zeit. Wir erhielten
Einladungen aus aller Welt, und meist beauftragte Hani mich damit, auf Reisen zu gehen. So kam ich nach China, nach Nordkorea, besuchte verschiedene afrikanische Staaten und bereiste sämtliche arabischen Länder, ohne meine Arbeit in Deutschland zu vernachlässigen. Mir lag vor allem daran, das Netz der Beziehungen zwischen deutschen Politikern und der PLO-Führung enger zu knüpfen, und vor allem Parlamentarier der SPD folgten meiner Einladung, Wischnewski war beinahe schon Stammgast in meiner Wohnung in Tunis. Das ging so bis zum 2. August 1990. An diesem Tag erfuhren wir vom Einmarsch der irakischen Truppen in Kuwait. Im selben Moment stand der gesamte Nahe Osten Kopf.
    Die ganze arabische Welt empfing Hunderte von Delegationen aus aller Herren Länder. Wischnewski schaltete sich ein, Brandt setzte sich ein, die Franzosen waren zur Stelle, auch Arafat bot seine Dienste als Vermittler an. Gleich nach dem Einmarsch waren das Zentralkomitee sowie das Exekutivkomitee der PLO zusammengerufen worden, und die Analyse der Situation hatte einen hochkomplizierten Befund ergeben: Die Arabische Liga war gespalten; allen voran ergriffen die Golfstaaten für Kuwait Partei, während die Politiker anderer arabischer Länder, insbesondere aber die Mehrheit des arabischen Volkes, aufseiten des Iraks stand. Die Palästinenser waren meistenteils sogar begeisterte Anhänger Saddam Husseins, weil er die PLO jederzeit großzügig unterstützt hatte und nun auch noch verkündete, nur dann seine

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