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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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kam natürlich vor, dass Jugendliche der Hamas Seite an Seite mit unseren jungen Leuten kämpften, doch die Führung der Hamas billigte solche Aktionen nie. Mit der Zeit verschärfte sich dieser Gegensatz, und ab Mitte der 90er-Jahre war offenkundig: Die PLO und die Fatah waren für die Hamas der Feind Nummer eins, nicht Israel.
    Einstweilen aber herrschte in Palästina ein Aufstand, an dem die ganze Welt Anteil nahm, und gegen das Bild des klagenden
Palästinensers, der mit gleichermaßen niedergeschlagenen Schicksalsgenossen in einem Flüchtlingslager hockt, setzte sich nun das Bild des selbstbewussten Palästinensers durch, der gegen seine Unterdrückung aufbegehrt. Die Führung der Fatah reagierte darauf folgerichtig, indem sie auf der Sitzung des Palästinensischen Nationalrats in Algier am 15. November 1988 den Staat Palästina ausrief und einen großen Schritt zu seiner Verwirklichung auf dem Verhandlungsweg tat.
    In meiner Erinnerung lebt diese Sitzung im palastähnlichen Club des Pins in Algier als ein einziges, dreitägiges Freudenfest fort. In Anwesenheit der Witwe Abu Dschihads proklamierte Arafat den palästinensischen Staat, und unsere Begeisterung kannte keine Grenzen mehr. Wir lagen uns in den Armen, Tränen flossen, es wurde getanzt und gesungen, mit besonderer Inbrunst das Lied »Biladi, Biladi« (Mein Land), die inoffizielle Nationalhymne Palästinas. Wie lange hatten wir auf einen solchen Grund zum Feiern warten müssen! Vierzig Jahre waren seit 1948 vergangen. Gewiss, es handelte sich nur um eine symbolische Unabhängigkeitserklärung, aber sie war ein unmissverständliches Signal an die Welt, ein deutliches Zeichen unserer gewachsenen Zuversicht und Stärke, und deshalb ging es dort in Algier so laut, ausgelassen und fröhlich wie auf einer orientalischen Hochzeit zu.
    Taktiker, der er war, nutzte Arafat diese Stimmung, um die Beschlüsse 242 und 338 des Weltsicherheitsrats durchzuschleusen. Nach dem Prinzip »Land gegen Frieden« legten diese Resolutionen die Bedingungen für eine friedliche Beilegung des Konflikts zwischen Israel und seinen Nachbarn fest, und mit Ausnahme der Palästinenser hatten alle Beteiligten sie längst akzeptiert. Bei der PLO – und nicht zuletzt bei Arafat selbst – waren sie jedoch bisher auf vehemente Ablehnung gestoßen, weil sie die Vertreibung von 1948 legitimierten und das Flüchtlingsproblem mit keinem Wort erwähnten;
weder war darin von einem Recht auf Rückkehr die Rede noch von einem Anspruch auf Kompensation. Auch in diesen Tagen in Algier gab es gewichtige Stimmen gegen eine Annahme, aber Arafat, der seine Leute schon seit Langem sanft in Richtung eines Palästinenserstaates drängte, brachte doch eine große Mehrheit dafür zustande. Wir sind zu Verhandlungen bereit – auch diese Botschaft ging von der Nationalratssitzung des Jahres 1988 an die USA, die europäischen Staaten, den Weltsicherheitsrat.
    Nachdem der erste Jubel abgeflaut und der heftigste Ansturm auf Arafat vorüber war, ging ich zu ihm, gratulierte ihm und sagte dann: »Weißt du, dass wir heute zwei Feste feiern?« – »Welches ist das zweite?«, fragte er. »Mein Geburtstag.« Er umarmte mich, sah mich dann an und sagte mit dem bekannten, spitzbübischen Lächeln:«Tut mir leid, aber ich kann nicht behaupten, dass wir diese Party für dich organisiert haben …« Es war ein Moment, der für manches Leiden entschädigte.
    Innerhalb eines Jahres erkannten hundertsiebenundzwanzig Staaten diesen virtuellen Staat Palästina an, mehr, als damals diplomatische Beziehungen zu Israel unterhielten. Wir waren die erste Befreiungsbewegung ohne Land, die einen solchen Rückhalt in der Staatengemeinschaft fand. Arafat war sich gleichwohl darüber im Klaren, dass das Schwierigste noch vor ihm lag, nämlich die USA und Israel von der Ernsthaftigkeit seiner friedlichen Absichten zu überzeugen. Im Mai des folgenden Jahres machte er deshalb einen weiteren Schritt auf seine hartnäckigsten Widersacher zu.
    Bei seinem ersten offiziellen Besuch in Paris erklärte er auf einer Pressekonferenz jenen Artikel der PLO-Charta, der die Auflösung des Staates Israel verlangte, für hinfällig. Dieser Artikel, an dem die westliche Welt seit jeher Anstoß genommen hatte, war in der Tat ein Anachronismus, dennoch fiel es nicht allen so leicht wie Arafat, sich davon zu trennen. Nach
seiner Paris-Reise kam es zu heißen Diskussionen im Zentralkomitee der Fatah, vor allem Kadumi wollte davon nichts wissen; wie so

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