Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
Vom Netzwerk:
Soldaten aus Kuwait abzuziehen, wenn Israel sich seinerseits aus den besetzten Gebieten zurückziehe. Diese Menschen befanden sich gerade in einem Aufstand gegen Israel, sie hatten die brutale Unterdrückung der Israelis zu erdulden – wer wollte ihnen ankreiden, dass sie auch vor den Kameras der internationalen Fernsehstationen mit ihrer Sympathie für Saddam Hussein nicht hinterm Berg hielten? Die westliche Welt verübelte ihnen diese Parteinahme sehr, und sie verübelte noch mehr, dass Arafat bei einem
Besuch in Bagdad Saddam umarmt hatte. Aber bei allem, was Arafat in diesen Tagen tat und von sich gab, muss man die Stimmung in den besetzten Gebieten berücksichtigen.
    Irgendwann kam Abu Iyad auf die Idee, eine Fatah-Delegation nach Bagdad zu schicken, um die Chancen für einen weiteren Vermittlungsversuch zu sondieren. Abu Iyad zählte zu jenen, die mit einiger Deutlichkeit gegen die Besetzung Kuwaits Stellung bezogen hatten. Hani sollte diese Delegation leiten, ich sollte ihr angehören, und so flogen wir im Dezember nach Bagdad.
    Das Hauptquartier der Baath-Partei in Bagdad war ein moderner Protz- und Prachtbau, dessen schiere Ausmaße schon Ehrfurcht erwecken sollten und der mit seinen Säulen und Marmorböden vom Ruhm der Bath-Partei und der Stärke des Iraks kündete. Unser Weg führte uns durch eine Galerie großformatiger Gemälde, die allesamt Saddam Hussein zeigten; auch eine Saddam-Hussein-Statue war dort aufgestellt, über deren Kopf sich zwei Schwerter kreuzten. Dazu muss man wissen, dass Saddam Hussein sich mit Nebukadnezar verglich, ja, für einen Wiedergänger des babylonischen Königs hielt – Saddam war durchaus kein Dummkopf, litt aber zweifellos unter Wirklichkeitsverlust und fühlte sich genauso als Assyrer und Babylonier wie als Iraker.
    Wir wurden von einer fünfzehnköpfigen Abordnung hoher irakischer Funktionäre empfangen, und keine zehn Minuten, nachdem wir in einem ebenfalls prunkvollen, riesigen Saal in schweren Ledersesseln Platz genommen hatten, läutete das Telefon. Es war einer dieser alten, schwarzen Apparate, deren Klingelton die Fähigkeit besitzt, große Ereignisse anzukündigen, und deren Hörer mit serviler Eilfertigkeit abgenommen und wieder aufgelegt werden kann. Ein Iraki griff also zu diesem Hörer – und erhob sich. Woraufhin alle Iraker aufstanden. Und da wir Palästinenser unmöglich sitzen bleiben konnten, erhoben wir uns ebenfalls. Der Präsident, ließ man uns
wissen, habe beschlossen, uns persönlich zu begrüßen, nachdem er von unserer Ankunft erfahren habe.
    Ein großer Lehnstuhl wurde hereingetragen, und nach einer Weile betrat Saddam Hussein den Raum, kam gemessenen Schrittes auf uns zu und bewegte sich dabei so steif, dass mir unwillkürlich eine arabische Wendung in den Sinn kam, die auf diese Art des hoheitsvollen Schreitens zutraf: »Du Erde, erzittere, denn auf dir gibt es nicht meinesgleichen …« Saddam nahm Platz – auch wir setzten uns wieder –, begrüßte uns, erklärte sich bereit, mit uns über alles zu sprechen, und überließ uns das Feld.
    Hani als Delegationsleiter sprach als Erster und lieferte eine recht schleierhafte Rede, der immerhin sein Bestreben zu entnehmen war, die PLO oder Arafat als Vermittler ins Spiel zu bringen. Danach war die Reihe an mir, und ich gestehe, dass ich mir alles, was ich jemals über Diplomatie gelernt hatte, in Erinnerung rief, bevor ich den Mund auftat. »Herr Präsident«, sagte ich, »wenn Sie mir gestatten, ganz ehrlich zu sein …« – »Das mag ich«, unterbrach mich Saddam. »Bitte sehr.« – »Als Kind habe ich die Besetzung des Gazastreifens durch die Israelis erlebt«, fuhr ich fort, »und von Deutschland aus den Sechstagekrieg verfolgt, der zur Niederlage Gamal Abdel Nassers geführt hat. Ich bin immer sehr besorgt, wenn wir auf eine Konfrontation mit Israel oder den USA zusteuern. Und, Herr Präsident, ich habe Ihre Politik verfolgt. Ich habe auch mitbekommen, was Sie auf der Pressekonferenz in Amman gesagt haben, nämlich (bezogen auf die Zerstörung eines irakischen Atomreaktors durch die Israelis): ›Sollten die Israelis uns noch einmal angreifen, werden sie es bereuen.‹ Ehrlich gesagt, Herr Präsident – es hat mich überrascht, dass Sie Ihre Stoßrichtung nun geändert haben. Sie waren es, der dieses Land aufgebaut hat, seine Industrie, seine Landwirtschaft, und ich habe große Sorge, dass die Amerikaner dies alles zerstören werden.«

    Saddam hatte sich Notizen gemacht. Nun

Weitere Kostenlose Bücher