Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik
ließ er einen Augenblick verstreichen, bevor er antwortete: »Erstens. Wenn ein Mitglied meiner Partei mir nur zwei Wochen vorher geraten hätte, Kuwait zu besetzen, hätte ich diesen Mann auf undemokratische Art zum Schweigen gebracht. Aber …« – und dann zählte er die Verfehlungen der Kuwaitis auf: dass sie ihn bei seinem Kampf gegen den Iran im Stich gelassen hätten, dass sie sein Öl stehlen würden, dass … Es kam ein langes Sündenregister zusammen, bevor er zum zweiten Punkt überging: »Nasser? Ich bin nicht mit Präsident Nasser zu vergleichen. Ich bin auf alle Eventualitäten vorbereitet. Sollten uns die Amerikaner angreifen, werden sie vielleicht hier und da ein Stück irakischer Erde besetzen, aber angesichts der enormen Zahl gefallener amerkanischer Soldaten werden sie in die Knie gehen. Und drittens: Viele Freunde kommen zu mir und sagen, sie hätten Angst um den Irak. Seien Sie versichert: Niemand hat mehr Angst um den Irak als ich. Denn ich habe den Irak Schraube für Schraube aufgebaut.«
Saddam war sehr freundlich, stellte sich auch für ein Gruppenfoto zur Verfügung und verließ uns dann wieder. An der folgenden Pressekonferenz nahm ich erst gar nicht teil; es war zwecklos. Mir war klargeworden, dass Saddam Hussein sich unter keinen Umständen zu einem Rückzieher überreden lassen würde. Der Krieg war unabwendbar. Wieder in Deutschland, plädierte ich in Interviews und Fernsehauftritten für eine Verhandlungslösung, an die ich selbst nicht mehr glaubte. Zwei Wochen nach unserer Bagdadreise, am 16. Januar 1991, griffen die USA den Irak an.
Am Vorabend des amerikanischen Angriffs hielt ich mich in Hamburg auf. Ich erinnere mich sehr genau an die Talkrunde beim NDR und dass ich mich, erschöpft und verbittert vom Gang der Ereignisse, anschließend gleich in mein Hotel zurückzog, weil ich in dieser Nacht, frühmorgens gegen vier, vom Klingeln des Zimmertelefons aus dem Schlaf gerissen
wurde. Es war ein Hamburger Freund, den Benita gebeten hatte, mir auszurichten, dass Abu Iyad und Hayel in Tunis erschossen worden seien.
Mir fiel Hamze ein – der Leibwächter, den Hayel im letzten Jahr entlassen hatte, nachdem der Mann in den Verdacht geraten war, mit Abu Nidal in Verbindung zu stehen. Monate später war Hamze wieder bei Hayel aufgetaucht, hatte den Reumütigen gespielt und war von Hayel gegen alle Vernunft wieder in seinen Begleitschutz aufgenommen worden. Ich verabscheute diesen Menschen, ich hatte Hayel gewarnt, aber aus unerfindlichen Gründen hatte er Hamze weiterbeschäftigt. In diesen Augenblicken, in denen ich mich auf meinem Hamburger Hotelzimmer hastig ankleidete, war ich zutiefst bestürzt, aber nicht sonderlich überrascht. Wie sich herausstellen sollte, hatte Hamze tatsächlich nur auf den Tag X gewartet.
Am Abend des Mordes war Abu Iyad zu Gast in der Privatvilla von Hayel, die ziemlich einsam inmitten eines weitläufigen, umzäunten Grundstücks lag. Und während die beiden speisten, machte es sich der Tross ihrer Leibwächter vorne am Tor im Raum der Wache gemütlich. Das heißt, keiner der Sicherheitsleute konnte mitbekommen, was im Haus vor sich ging, denn von dort bis zur Einfahrt waren es achthundert Meter – eine Pflichtvergessenheit sondersgleichen. Am Haus selbst waren nur zwei Sicherheitsleute übriggeblieben, nämlich einer von Abu Iyads Leuten, der sich am Vordereingang postierte, und Hamze selbst, der die Bewachung der Rückseite übernommen hatte. Irgendwann verdrückte sich auch dieser letzte Leibwächter, der Weg war frei, die Tür stand offen, Hamze schlich sich ins Haus, wandte sich nach links, wo Hayel und Abu Iyad im Wohnzimmer zusammensaßen, wahrscheinlich rauchten, wahrscheinlich Kaffee tranken, trat ein und schoss. Abu Iyad war auf der Stelle tot, Hayel starb Stunden später im Krankenhaus.
Ich nahm die erste Maschine von Hamburg nach Köln, wo
Benita mich erwartete, in Tränen aufgelöst – sie hatte beide gut gekannt. Ich fuhr mit dem Auto nach Frankfurt, setzte mich ins Flugzeug und traf zur Mittagszeit in Tunis ein. Aber ich kam zu spät, Hayel war schon gestorben, und als ich seine Hand berührte, war sie kalt. Ich brachte es nicht einmal fertig zu weinen; mir war, als hätte man mir flüssiges Blei eingeflößt. Ich saß lange an seinem Bett und las laut einige Verse aus dem Koran; mehr brachte ich nicht über die Lippen.
Hamze wurde von tunesischen Sicherheitskräften verhaftet, der PLO übergeben und verhört. Er gestand, im
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