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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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Wasser war kristallklar. Abends verfolgte ich Arafats Beerdigung im Fernsehen, als Wiederholung, denn das Begräbnis war schon vorbei. Später erfuhr ich, dass einige Trauergäste Sand aus Jerusalem auf seinen Sarg gestreut hatten, damit er in Ramallah die Erde Jerusalems nicht missen musste, in der er am liebsten beerdigt worden wäre. Anderntags fuhr ich nach Gaza und besuchte, wie üblich, als Erstes das Grab meines Vaters – für mich war damit stets das beglückende Gefühl verbunden, heimgekehrt zu sein. Am frühen Abend begab ich mich dann in das Trauerzelt, das auf Arafats ehemaligem Hubschrauberlandeplatz aufgeschlagen worden war.
    Es war ein sehr großes Zelt voller Menschen, die an dem Begräbnis in Ramallah nicht hatten teilnehmen können. Halb Gaza strömte hier zusammen, Menschen aus allen Bevölkerungsschichten, die nach langem Warten eintraten, sich auf Plastikstühlen niederließen, einen arabischen Kaffee tranken, ein paar Worte mit ihren Nachbarn wechselten und wieder
gingen. Nach einer Weile betrat Abbas das Zelt, gefolgt von Mohammed Dahlan, dem Chef der Präventiven Sicherheit, und mit einem Mal schlug die gedämpfte Trauerstimmung in lautstarken Protest um. Vor allem das Auftauchen Dahlans löste Empörung aus – die Anwesenden verstanden seinen Auftritt als Zeichen dafür, dass er künftig in Gaza das Sagen haben würde, und nicht nur seine geschworenen Feinde waren entschlossen, das zu verhindern.
    Umringt von meinen Sicherheitsleuten schaute ich von einem Stuhl aus zu, wie Abbas ungerührt die Hände der Notabeln schüttelte, als ein Tumult entstand. Mit Rufen wie »Dahlan, Verräter!« und »Weg mit Abbas!« stürmten Bewaffnete das Zelt. Im nächsten Moment hörte ich Schüsse, und dann sah ich, wie leere Plastikstühle, von Kugeln getroffen, durch die Luft flogen und Menschen aufsprangen, davonliefen oder in Deckung gingen. Der Chef meines Begleitschutzes drückte mich zu Boden, aber ich wehrte mich, ich wollte mich vor diesen Revolverhelden nicht auf der Erde wälzen, ich wollte nur hinaus, Abbas folgen, der jetzt auf den Ausgang des Zeltes zulief, während einer seiner Leibwächter seinen Rückzug deckte und die Attentäter aufzuhalten oder abzudrängen versuchte, bis er in den Kopf getroffen tot niedersank. Hätte er sich geduckt, wäre Abu Mazen getroffen worden, so aber erreichte Abbas heil den Ausgang und entkam in einem Taxi.
    Es war ein unglaubliches Durcheinander, unentwegt wurde geschossen, trotzdem schaffte ich es ins Freie. Dahlan war, von seinen Leuten gedeckt, diesem Hexenkessel ebenfalls entronnen. Draußen wimmelte es von jungen Männern mit Maschinenpistolen, einige schleppten sogar Panzerfäuste mit sich herum. Ich fragte einen dieser Jungen, warum er eine Waffe trage. Er wusste mir keine Antwort darauf zu geben.
    Verwirrt, verstört davon, wie plötzlich es zu diesem Ausbruch von Gewalt gekommen war, schlug ich, gefolgt von
meinen Begleitern, die Richtung meines Hauses ein, als mein Blick auf die Autos von Dahlan am Rand des Platzes fiel. Vier oder fünf gepanzerte Limousinen standen dort, alle waren demoliert, wie mit Vorschlaghämmern bearbeitet. Ich hätte nie gedacht, dass man gepanzerte Fahrzeuge mit Stangen oder Knüppeln so zurichten könnte. Wie groß musste der Zorn sein, der sich hier entladen hatte! Mein Herz presste sich zusammen. Dergleichen hatte ich noch nicht erlebt. Um ein Haar wäre Abu Mazen erschossen worden. Mit knapper Not waren wir einer nationalen Katastrophe entgangen. Abbas’ Tod hätte einen Bruderkrieg nach sich gezogen, und wir Palästinenser hätten jede Glaubwürdigkeit verloren.
    Anderntags wurde ich mit der Untersuchung des Vorfalls beauftragt. Eine Woche später legte ich meinen Bericht vor. Drei Menschen waren getötet, sieben verletzt worden – nicht von Hamas-Leuten, sondern von verärgerten, zornigen jungen Fatah-Anhängern, die Abbas nicht akzeptieren und den bewaffneten Kampf unbedingt fortsetzen wollten. In der Vergangenheit hatte Arafat den Deckel auf diesem Topf gehalten, in dem es so gefährlich brodelte, jetzt waren die inneren Gegensätze unserer Bewegung gewaltsam aufgebrochen.
    Dazu kam das Problem Dahlan. Mohammed Dahlan kam aus einfachsten Verhältnissen, hatte als Sicherheitschef die richtigen Leute protegiert und war in kurzer Zeit zu sehr viel Geld gekommen. Früher waren wir befreundet gewesen, seit geraumer Zeit aber stellte ich Züge rücksichtsloser Selbstherrlichkeit an ihm fest, und in der Bevölkerung

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