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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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war er als Symbolfigur für die Korruption, die unter Arafat um sich gegriffen hatte, unbeliebt, ja, verhasst.
    Ich empfahl Abbas, einen Versöhnungsprozess in die Wege zu leiten. Ich selbst trug meinen Teil dazu bei, indem ich die Vertreter aller Strömungen zu einem Versöhnungsessen in mein Haus einlud, für das mein Bruder die Schafe beisteuerte. Doch obwohl Abu Arab, der Chef meiner Leibwächter und
ein begnadeter Koch dazu, das Küchenpersonal anwies und alle Speisen, die aufgetragen wurden, den Stempel seiner Meisterschaft trugen, blieb der erhoffte Erfolg aus. Schon im Verlauf dieses Abends war der Widerwille zu spüren gewesen, den einer für den anderen hegte; die Rivalitäten setzten sich fort, der Konflikt innerhalb der Fatah schwelte weiter.
    Bevor es wieder zu einem normalen Parteileben kommen konnte, war auf jeden Fall eine gründliche Reform der Fatah fällig. Wahlen mussten stattfinden – innerparteiliche Wahlen, Kommunalwahlen, vor allem Parlaments- und Präsidentschaftswahlen. Das Zentralkomitee bestimmte mich zum Fatah-Vorsitzenden von Gaza, Abbas ernannte mich zum Leiter seiner Wahlkampagne, und ich ging an die Arbeit.

Der Bruderkampf
    Es gab keine Tür, an die ich nicht geklopft hätte, kein Zelt, in dem ich mich nicht hätte sehen lassen. Der Gazastreifen ist nicht groß, und wenn wir ein Flüchtlingslager besuchten, lief alles zusammen, Männer, Frauen, Kinder. Die Kunst bestand nun darin, Menschen, die die Hölle erlebt hatten, die ihr Dasein zwischen Trümmern fristeten, für das politische Programm von Abbas zu gewinnen, und das hieß: Verzicht auf Gewalt, Fortsetzung der Verhandlungen mit Israel, konsequente Friedenspolitik. Ich verlangte ihnen viel ab, aber ich war von Abu Mazens Programm genauso überzeugt wie von seiner Person. Abbas hatte die Bewegung mitbegründet und gehörte seither kontinuierlich dem Zentralkomitee an. Er war in seiner Haltung immer eindeutig gewesen, glaubte an den Weg absoluter Friedfertigkeit und hatte sich nie davon abbringen lassen, er war – nicht nur in meinen Augen – von uns allen der Geeignetste, nach Arafats Tod die Präsidentschaft zu übernehmen. Ich baute auf seine langjährige Beziehung zu Arafat, seine internationalen Kontakte, seine Geradlinigkeit, seine Aufrichtigkeit. Abbas hätte den Leuten in seinen eigenen Wahlkampfreden nicht unbedingt reinen Wein einschenken müssen, aber er tat es, und ich machte es nicht anders.
    Wer von einem Ende der Gewalttätigkeiten und geordneten Verhältnissen überhaupt nichts wissen wollte, waren die Al-Aksa-Brigaden, jene Kampfeinheiten, die sich nach den gescheiterten Verhandlungen von Camp David im Jahr 2000 gebildet und während der Zweiten Intifada als bewaffneter Arm der Fatah fungiert hatten. Ich verstand diese jungen Leute,
auch ich hatte als junger Mensch an den bewaffneten Kampf geglaubt und mich nur allmählich davon abgewandt, aber gewähren lassen durfte man sie nicht. Vor allem den Süden des Gazastreifens hatten sie in einen Zustand versetzt, der mit Anarchie am treffendsten zu beschreiben war. Diese Kampfeinheiten waren nicht zu umgehen, nichts konnte ohne ihre Zustimmung unternommen werden, dabei gab es nicht einmal eine einheitliche Führung, der sie gehorcht hätten. Es reichte, dass sich fünf, sechs junge Männer zusammentaten und sich den Namen eines Märtyrers gaben – schon hatte sich die Gruppe Abu Rich, die Gruppe Abu soundso gebildet. Auf diese Weise waren im Gazastreifen insgesamt 57 Al-Aksa-Brigaden entstanden, die alle unabhängig voneinander agierten, gut bewaffnet waren und die Straße beherrschten.
    Ich will diese 16-, 17-, 18-Jährigen nicht verurteilen. Ihre Entschlossenheit, gegen die Israelis zu kämpfen, war aus ihrer Erfahrung als Zeugen der brutalen Einsätze der israelischen Armee erwachsen; hinzu kam das Gefühl, bei den Osloer Verhandlungen verraten worden zu sein. Dabei war ihnen durchaus bewusst, dass sie Israel niemals besiegen könnten. Sie verfügten weder über das erforderliche Geld noch über die nötigen Waffen, obendrein mussten sie auf die politische Rückendeckung durch die Fatah verzichten, weil ihr Kampf nicht mit der offiziellen Politik vereinbar war, aber sie waren nicht gewillt, die Angriffe der Israelis fatalistisch hinzunehmen, sie wollten sich zumindest verteidigen.
    Ich empfand es in jenen Tagen beinahe als meine wichtigste Aufgabe, auf diese verzweifelten jungen Leute einzuwirken, damit sie ihr Leben nicht in Kämpfen verlören, die nicht

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