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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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sich herausstellte, mit der üblichen Präzision geplant worden. Israelisches Militär hatte tags zuvor eine ägyptische Kaserne im Norden von Gaza angegriffen und zwölf Soldaten getötet. In der zutreffenden Erwartung, dass die Ägypter umgehend Verstärkung aus dem Süden herbeischaffen
würden, legten sie noch in der Nacht einen Hinterhalt auf halber Strecke, eben kurz vor der Abzweigung nach Beerscheva. Als sich der Lkw mit den Rekruten, palästinensischen Freiwilligen, in der Dunkelheit näherte, blockierte ein brennender Benzinkanister die Straße. Der Fahrer wollte ausweichen, geriet von der Straße ab und fuhr sich im Schlamm fest, woraufhin das israelische Kommando das Feuer eröffnete und Handgranaten auf die Ladefläche warf. Von den Rekruten überlebte keiner, die Israelis entkamen ohne Verluste. Mein Freund und ich standen lange vor dem ausgebrannten Wrack, und es war das Bild dieser verkohlten jungen Männer, das mir Jahrzehnte später noch in den Kopf schoss, wenn wir das Opfer eines israelischen Mordkommandos zu Grabe trugen. Geleitet hatte diese Aktion ein junger Oberst namens Ariel Scharon.
    Danach berichtete der israelische Rundfunk von einer »erfolgreichen Aktion gegen Terroristen«. Das entsprach dem üblichen Sprachgebrauch – die Israelis bezeichneten von Anfang an jede Gegenwehr der arabischen Seite als Terror und betrachteten vom Augenblick der Vertreibung an grundsätzlich jeden Palästinenser als potenziellen Terroristen. Die unverhältnismäßige Gewalt ihrer sogenannten Gegenschläge entsprang dann auch weniger militärischer Notwendigkeit als vielmehr dem Kalkül, die Palästinenser durch überzogene Gewaltanwendung von der Sinnlosigkeit ihres Widerstands zu überzeugen. Der Begriff Terrorist bürgerte sich allerdings auf beiden Seiten sehr schnell ein. Auch die Palästinenser bezeichneten die Gewaltaktionen der Israelis als Terror; insbesondere die jüdischen Untergrundorganisationen während der britischen Mandatszeit wurden als Terrororganisationen betrachtet. Mit anderen Worten: Der Terror hatte Einzug in unsere Welt gehalten.
    Die Absicht eines Terroristen ist, Schrecken zu verbreiten, und Schrecken ist wahrhaftig in reichlichem Maße von diesem
Stück Erde ausgegangen. Wenn man auf den israelischpalästinensischen Konflikt zurückblickt, könnte man meinen, der Schrecken habe die Herrschaft in unserem Teil der Welt übernommen. Ich jedenfalls stand damals unter diesem Eindruck, und die Frage nach den Ursachen ließ mir keine Ruhe. Ich begann, historische Bücher zu lesen, ich entwickelte ein immer stärkeres Interesse am Geschichtsunterricht in der Schule, und als ich etwas älter geworden war, fertigte ich Wandzeitungen an und hielt Vorträge vor meiner Klasse. Was kam nun bei meiner Ursachenforschung heraus?
    Zunächst einmal: Wir redeten nie von Juden, sondern von Zionisten. Und wenn ich mich heute frage, was ich mit elf, zwölf Jahren über die Zionisten wusste, muss ich zugeben: wenig. Für uns hatten die Zionisten lange Zeit im Schatten der Engländer gestanden. Über das Verhältnis Englands zur arabischen Welt hingegen war ich gut unterrichtet, das wurde in der Schule behandelt, zu diesem Thema hatte ich auch Bücher gelesen. Ich wusste, dass die Engländer die Araber im Ersten Weltkrieg mit falschen Versprechungen auf ihre Seite gezogen hatten. Mir war klar, dass sie in Wahrheit Palästina unter ihre Kontrolle bringen wollten, um über einen strategischen Brückenkopf zwischen Asien und Afrika zu verfügen. Ich hatte das Bild von General McMahon und Scherif Hussein ibn Ali von Mekka vor Augen, wie sie mit einem Handschlag das Bündnis zwischen Briten und Arabern im Ersten Weltkrieg besiegeln – ein Bündnis, das an das Versprechen Londons geknüpft war, den Arabern anschließend die Unabhängigkeit zu gewähren. Und soweit ich es verstand, hatten die Zionisten bei diesem Betrugsmanöver lediglich die Rolle eines Handlangers gespielt, als eine Art fünfte Kolonne des britischen Imperialismus.
    Wovon in meinen Büchern nie etwas zu lesen war, das waren die Leiden der Juden in der Vergangenheit. In unseren Köpfen setzte sich nur fest, dass sie überall auf der Welt unbeliebt
waren. Wohin sie auch gingen, so hieß es, würden sie auf Ablehnung stoßen. Das verstand ich gut. Dabei war es in Palästina anfangs keineswegs so gewesen – mein Vater hatte, wie gesagt, fast bis zum Schluss zwei jüdische Techniker beschäftigt. Ganz allgemein waren die jüdischen Siedler,

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