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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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allen Ländern rund ums Mittelmeer. Wie die Phönizier besaßen auch die Juden schon früh einen weit gefassten Begriff von Heimat, und seit dem 3. Jahrhundert n. Chr. machten sie nur noch einen geringen Teil der Bevölkerung Palästinas aus. Wer dieses Land aber weiterhin und bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts bewohnte, das waren die Nachfahren der Philister, der Kanaaniter und anderer Ureinwohner – die Palästinenser.
    Rückkehr in das Land ihrer Väter? Nun, meinetwegen. Aber ein Argument für die zionistische Vertreibungspolitik liefert die historische Betrachtungsweise nicht. Für uns Araber ergab sich aus der Geschichte jedenfalls kein Grund, das ausschließliche Recht der Juden auf unser Land anzuerkennen. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an ein Gespräch mit dem jüdischen Schriftsteller und Knesset-Abgeordneten Uri Avnery. Anfang der 80er-Jahre trafen wir uns auf einer Konferenz in Graz und machten bei herrlichem Sommerwetter einen Spaziergang durch die üppigen Weizenfelder der Umgebung. Im Gespräch wies mich Avnery darauf hin, man könne mit dem Alten Testament in der Hand Israel durchwandern und alle dort verzeichneten Orte heute noch wiederfinden. Ich machte ihn darauf aufmerksam, dass unsere Erinnerung an
eben diese Orte jüngeren Datums sei und unsere Verbundenheit mit ihnen sogar bis in vorbiblische Zeit zurückreiche. Dagegen verwahrte er sich nicht – er wollte mit seiner Bemerkung nur zum Ausdruck bringen, dass sie, die Juden, ebenfalls ein Wohnrecht in dieser Region beanspruchen könnten. Wogegen ich wiederum nichts einzuwenden hatte. Ich bestritt lediglich die These eines exklusiven Wohnrechts, wie es die Zionisten geglaubt hatten durchsetzen zu dürfen.
    Im Grunde jedoch war die geschichtliche Beweisführung auch für die Zionisten nicht ausschlaggebend. Ihrer historischen Argumentation war eine religiöse unterlegt, die weit eher die Radikalität der zionistischen Vorgehensweise zu erklären vermochte und die Unbeugsamkeit israelischer Politiker bis heute erklärt. Diese Argumentation lautet sehr einfach: Gott hat unseren Vorfahren dieses Land verheißen und vermacht – folglich ist es, selbst wenn wir nicht dort leben, unser Besitz. Da hier jede Beweisführung endet, will ich mich darauf beschränken, Ben Gurion zu zitieren, der dazu sagte: »Wenn ich ein arabischer Führer wäre, würde ich niemals ein Abkommen mit Israel unterzeichnen. Es ist normal; wir haben ihnen das Land weggenommen. Es stimmt zwar: Gott hat es uns versprochen. Aber wieso sollte sie das interessieren? Unser Gott ist nicht der ihrige.«
    Dem hätte ich nichts hinzuzufügen.
    Die Geschichte bot sich also an, um zu verstehen, was geschehen war. Die Politik wiederum bot sich an, um rückgängig zu machen, was geschehen war. Und bevor ich daran dachte zu verstehen, überlegte ich schon, in irgendeiner Weise daran mitzuwirken, das Geschehene rückgängig zu machen. Mein stärkstes Interesse galt daher der Politik, und Politik wurde in meinem allernächsten Umkreis gemacht – von meinem um acht Jahre älteren Bruder Mohammed. Ihm verdanke ich, dass ich dem erfahrenen Unrecht schon in meiner Jugend tatsächlich etwas entgegenzusetzen hatte.

    Es begann damit, dass Mohammed Anfang der 50er-Jahre die Clubs der Muslimbrüder in Gaza besuchte. Die Muslimbrüder waren stramm islamisch ausgerichtet – sie hatten sich 1928 als erste politische Partei Ägyptens gebildet und verstanden sich als Bollwerk gegen westliche Einflüsse –, aber ihre Clubs hatten eher den Charakter von Freizeitstätten. Da wurde debattiert, aber auch Tischtennis und Fußball gespielt, da gab es Trainingsräume mit Sportgeräten, kurzum, diese Clubs waren aus den verschiedensten Gründen bei jungen Männern als Treffpunkte beliebt. In einem dieser Clubs begegnete der siebzehnjährige Mohammed 1953 dem um ein Jahr älteren Khalil el-Wazir, der bald unter seinem Decknamen Abu Dschihad bekannt werden sollte. Es ist nicht übertrieben, diese Begegnung als die Geburtsstunde der Fatah zu bezeichnen. Beide gehörten sechs Jahre danach zu den Gründungsmitgliedern der Fatah. Mohammed schied später aus, aber Abu Dschihad war mehr als dreißig Jahre lang die Nummer zwei nach Arafat, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband.
    An dieser Stelle sind zwei kurze Erklärungen angebracht. Bei einem Namen wie Abu Dschihad handelt es sich um die unter arabischen Männern gebräuchliche Form der vertraulichen Anrede. Sie wird aus dem arabischen Wort

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