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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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für Vater, Abu, und dem Namen des ältesten Sohnes gebildet. Etwas anders lag der Fall bei Abu Dschihad. Der damals kinderlose Khalil el-Wazir hatte sich diesen Namen zugelegt, um es Geheimdiensten schwerer zu machen, den Träger dieses Namens zu identifizieren – es gab Hunderte von Abu Dschihads. Das Wort Dschihad selbst bedeutet »Kampf«, aber nicht zwangsläufig »bewaffneter Kampf«. Im Deutschen ist es ja nicht anders: Ein Wahlkampf wird genauso wenig mit Waffen ausgetragen wie ein Ringkampf. Mit Dschihad ist also jede Art von Bemühen oder Auseinandersetzung gemeint – bis hin zur Anwendung von Waffengewalt.

    Vermutlich hatte Mohammed Abu Dschihad bei einem seiner Auftritte kennengelernt. Abu Dschihad zog nämlich als Redner durch die Clubs der Muslimbrüder und rief die Menschen auf, ihr Flüchtlingsschicksal nicht gottergeben hinzunehmen in der Hoffnung, die arabischen Staaten würden sich eines Tages doch noch zur Rückeroberung ihrer Heimat aufraffen, sondern ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen und das eigene Leben für die eigene Sache einzusetzen – warum sollten Syrer, warum sollten Ägypter für Palästina sterben? Insofern war sein Codename Programm. Und er bewegte die Menschen. Seine Zuhörerschaft setzte sich ja aus den Kindern der Flüchtlingslager und der Vertreibung zusammen, und Abu Dschihad war ein emotionaler Redner, mitreißend, aber nicht demagogisch. Er stand da und sprach, und jeder hatte das Gefühl, dass seine Worte aus einem ehrlichen und leidenschaftlichen Herzen kamen. Heimat, Ehre, Würde – das waren die Schlüsselworte, mit denen er die Gemüter seiner Zuhörer erregte, und seine Appelle fielen nicht zuletzt bei Mohammed auf fruchtbaren Boden.
    Man versteht die Wirkung seiner Vorträge besser, wenn man weiß, dass Abu Dschihad die Unerschrockenheit in Person war. Nie bin ich einem Menschen von solchem Mut, solcher Unerschütterlichkeit begegnet. 1980, während der Kämpfe im Libanon, fuhr ich mit ihm in einem Jeep durch die Berge, als keine zehn Meter von uns entfernt eine Rakete einschlug und explodierte, auf der Seite, wo Abu Dschihad saß. Alle anderen gingen in Deckung – er zuckte nicht einmal zusammen. Er reagierte überhaupt nicht … Ich kann mich nicht entsinnen, dass Abu Dschihad jemals die Nerven verloren hätte, und Gelegenheiten dazu gab es genug. Von solchen wahrhaft furchtlosen Menschen geht eine ungemein starke Faszination aus.
    Abu Dschihad und Mohammed freundeten sich rasch an. Ein Dritter kam hinzu, Hamad el-Aydi, auch er fest entschlossen,
alles zu unternehmen, um dem Zustand des vergeblichen Wartens und Hoffens ein Ende zu machen. Als der ägyptische Präsident Gamal Abdel Nasser 1954 ein Verbot der Muslimbrüder erließ, wurden ihre Clubs auch im Gazastreifen geschlossen, und die drei jungen Männer trafen sich von nun an in unserem Orangenhain. Es gab dort ein kleines Haus, das Wächtern und Mechanikern als gelegentliche Unterkunft diente und meistens leer stand; dort waren sie ungestört, dort waren sie vor ungebetenem Besuch sicher, und dort fanden nun ihre geheimen Unterredungen statt.
    Die drei beließen es nicht beim Reden. Mohammed hatte in den Flüchtlingslagern Hunderte von Bekannten, ebenso viele Verwandte, der Name al-Frangi tat ein Übriges, und bald verfügte er über gute Kontakte zu jenen Leuten, die von den Israelis als Eindringlinge bezeichnet wurden. Es hatte nämlich nicht lange gedauert, bis die ersten Vertriebenen heimlich, bei Nacht und Nebel sozusagen, in israelisches Gebiet eindrangen und zu ihren Dörfern zurückkehrten, um nachzusehen, ob ihre Häuser noch standen, um zurückgelassene Gerätschaften herauszuholen oder einen Teil der Ernte in Sicherheit zu bringen. Hamad el-Aydi war selbst ein solcher Eindringling. Diese Menschen riskierten ihr Leben, denn die Israelis erschossen jeden, den sie aufgriffen. Die nächsten Angehörigen dieser heimlichen Rückkehrer wussten natürlich Bescheid, sie bekamen auch mit, wenn von zehn Männern, die sich aufgemacht hatten, nur drei zurückkamen. Später gingen die Israelis dazu über, an den Leichen der Erschossenen Sprengladungen anzubringen für den Fall, dass Freunde versuchen sollten, die Toten zu bergen. Nach solchen Erfahrungen trauten sich die Leute nur noch bewaffnet auf israelisches Territorium.
    Was ohne jede politische Absicht begonnen hatte, entwickelte sich zur ersten palästinensischen Partisanenbewegung, denn Mohammed, Abu Dschihad und Hamad el-Aydi

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