Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik
auf die Zerstörung der territorialen Einheit Palästinas hinausliefen. Aus heutiger Sicht muss man ergänzen, dass die Europäer weder mit dem einen noch mit dem anderen Plan eine gerechte Lösung anstrebten, sondern den Juden aus Schuldbewusstsein so weit wie möglich entgegenkommen wollten. Mit dem Verlust ihres Landes sollten die Palästinenser für das Unrecht bezahlen, das den Juden unter der Hitlerdiktatur zugefügt worden war.
Im November trat dann der aus arabischer Sicht denkbar schlimmste Fall ein, als die Vollversammlung der UNO über die Köpfe der Palästinenser hinweg der Teilung des Landes zustimmte – der Vorschlag, die Araber Palästinas in einem Referendum zu befragen und selbst über ihre Zukunft entscheiden zu lassen, war abgelehnt worden. Immerhin setzte die UNO anschließend eine Kommission ein, die die rechtlichen Probleme des Teilungsplans untersuchen sollte. Sie kam im Wesentlichen zu zwei Ergebnissen, und beide ließen die Menschen in den Flüchtlingslagern wieder hoffen. Zum einen sprach die Kommission der UNO grundsätzlich das Recht ab, einen neuen Staat zu schaffen – ein Staat könne nur durch die freie Willensentscheidung eines Volkes ins Leben gerufen werden; im Übrigen sei den Palästinensern seit 1918 in zahlreichen Erklärungen die nationale Unabhängigkeit versprochen worden. Und zum anderen hob die Kommission hervor, dass der Teilungsplan die Araber in eklatanter Weise benachteilige.
Daran gab es nun ohnehin keinen Zweifel. Denn die Araber, die bis dahin immer noch eine deutliche Mehrheit bildeten
(1 200 000 gegenüber 600 000), sollten mit knapp 43 Prozent der Gesamtfläche Palästinas abgefunden werden, während mehr als 56 Prozent den Juden zufallen sollten, obwohl sie nicht nur in der Minderheit waren, sondern bislang auch lediglich 6 Prozent des Bodens erworben hatten. In der Region Beerscheva stellte der Teilungsplan die bestehenden Verhältnisse geradezu auf den Kopf: Obwohl der jüdische Bevölkerungsanteil hier weniger als 1 Prozent betrug, sah der Plan vor, auch dieses Gebiet dem jüdischen Staat zuzuschlagen. Die UNO-Kommission hatte mithin Gründe genug, das Ergebnis ihrer Untersuchung in der Warnung zusammenzufassen: »Weit davon entfernt, das Palästinaproblem zu lösen, [wird] der Teilungsvorschlag […] ein anderes Problem von größerem Ernst und größeren Dimensionen schaffen.« 2 Die Zuhörer der abendlichen Nachrichtensendungen durften also einstweilen weiter hoffen. Die Einzigen, die längst wussten, dass es keine Rückkehr geben würde, waren die Regierung Israels und das israelische Militär, weil sie entsprechende Maßnahmen ergriffen hatten.
Die politische Entwicklung machte beide Pläne der Vereinten Nationen hinfällig. Schon vor der Staatsgründung war die Politik der Zionisten darauf hinausgelaufen, die Welt vor vollendete Tatsachen zu stellen, bevor man die Unrechtmäßigkeit ihres Vorgehens feststellen konnte. Jetzt, nach dem Sieg der Israelis im ersten arabisch-israelischen Krieg, besaß nicht einmal mehr die Grenzziehung Gültigkeit, die der Teilungsplan vorsah. Israel hatte sein von der UNO zugestandenes Staatsgebiet mit Waffengewalt beträchtlich erweitert und umfasste nun mehr als vier Fünftel Palästinas. Von den Briten unterstützt, annektierte Jordanien daraufhin das Westjordanland einschließlich Ost-Jerusalems. Auch dies geschah gegen
den Willen der Palästinenser; immerhin verhinderten die Jordanier auf diese Weise, dass sich Israel auch noch das Westjordanland aneignete.
Damit genossen allein die Palästinenser im Gazastreifen noch ein gewisses Maß an politischer Freiheit. Zwar stand der Gazastreifen unter ägyptischer Verwaltung, doch war das Verhältnis freundschaftlich. Nichts hätte Ägypten daran hindern können, dem jordanischen Vorbild zu folgen und den Gazastreifen zu annektieren – stattdessen sprach sich Gamal Abdel Nasser, der 1952 an die Macht gekommen war, sogar für eine Selbstregierung der Palästinenser aus. Nasser stand dem palästinensischen Volk auf jeden Fall näher als jeder andere arabische Führer, und die Palästinenser hatten allen Grund, Ägypten als ihren zuverlässigsten Verbündeten zu betrachten – während die Ägypter ihrerseits die Palästinenser so weit gewähren ließen, dass Gaza zum Ausgangspunkt des palästinensischen Widerstands werden konnte.
»Unser Gott ist nicht der ihrige«
Man muss sich das Gaza jener Jahre als großes Labor vorstellen. Ein Labor, in dem Menschen aller
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