Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
Vom Netzwerk:
Junikrieg. Vorausgegangen waren kleinere Gefechte nach der Logik von Schlag und Gegenschlag. Seit 1966 hatten sich Partisanenangriffe und syrischer Artilleriebeschuss mit israelischen Militäraktionen abgewechselt, bei denen – ganz im Sinne der israelischen Abschreckungsstrategie  – Panzer und Bombenflugzeuge Zerstörungen anrichteten, die alles übertrafen, was die Gegenseite mit ihren Mitteln erreichte.
    Anfang 1967 identifizierte Israel die Regierung in Damaskus als den eigentlichen Unruhestifter und drohte Syrien Vergeltung an. Nasser reagierte mit einem Ablenkungsmanöver und ließ Divisionen im Sinai aufmarschieren, während Jordanien seine Armee dem ägyptischen Oberkommando unterstellte. Daraufhin machte Israel mobil, griff am 5. Juni an und schaltete gleich am ersten Tag die syrischen und ägyptischen Luftstreitkräfte aus. Drei Tage später besetzte Israel das gesamte Westjordanland einschließlich Ost-Jerusalems, weitere zwei Tage später eroberte Israel die syrischen Golanhöhen. Am 10. Juni trat der vom UN-Sicherheitsrat geforderte Waffenstillstand in Kraft. Menachem Begin, ehemaliger Chef der zionistischen Untergrundorganisation Irgun und zu diesem Zeitpunkt Oppositionsführer in der Knesset, kommentierte den Ausgang des Kriegs mit den Worten:«Jetzt geht unser Traum von Groß-Israel in Erfüllung.«

    Zufällig hielt sich Abu Dschihad bei Kriegsausbruch in Frankfurt auf. Am Vormittag des 5. Juni trafen wir uns mit ihm zu einer Sitzung der Vorstände des Studenten- und des Arbeitervereins. Die arabischen Sender hüllten sich noch in Schweigen, aber die deutschen Nachrichten meldeten bereits um die Mittagszeit einen vollständigen Sieg Israels. Nach nur fünf Stunden war alles entschieden. Wir waren fassungslos. Es gab kaum einen, der nicht geweint hätte. Andere wollten die Katastrophe nicht wahrhaben. Im Nachhinein war zu erfahren, dass der israelische Geheimdienst seine Fühler bis tief nach Ägypten hinein ausgestreckt hatte. Israel hatte seine Überlegenheit auf allen Gebieten im geeigneten Moment zur Geltung gebracht und selbst flüchtende ägyptische Soldaten mit Napalm bombardiert. Aber natürlich hatte die arabische Seite vorher dazu beigetragen, die Stimmung anzuheizen – durch aggressive Töne, wie sie Nasser angeschlagen hatte, durch die Entsendung der ägyptischen Armee in den Sinai, durch die Schließung des Hafens von Akaba für israelische Schiffe. Einen Krieg allerdings hatte Nasser nicht einkalkuliert. Er wollte Druck auf Israel ausüben und es zwingen, seine Maßnahmen gegen Syrien zurückzunehmen. Nasser hatte hoch gepokert und verloren, und Israel hatte die Spannungen geschickt ausgenutzt.
    Wir standen unter Schock. Was nun? Nachdem wir uns einigermaßen gefangen hatten, kam es zu einer hitzigen Debatte, in deren Verlauf sich zwei gegensätzliche Standpunkte abzeichneten; den einen vertrat Nabil, den anderen ich. Ich plädierte dafür, unsere Zelte in Deutschland abzubrechen, das Gewehr zu nehmen und zu kämpfen – es sei an der Zeit, unseren Worten Taten folgen zu lassen, unsere Glaubwürdigkeit stehe auf dem Spiel. Nabil war anderer Auffassung. Kämpfen sei gut und richtig, meinte er, aber es würden sich genug Leute finden, die mehr als wir davon verständen. Als Intellektuelle würden uns andere Aufgaben erwarten, wir seien unersetzlich.
Er verglich uns mit kostbaren Perlen, die man nicht den Säuen vorwerfen dürfe.
    Abu Dschihad schlug eine Abstimmung vor, und die Mehrheit der Anwesenden schloss sich meiner Auffassung an, stimmte also dafür, so bald wie möglich zu einem – vorerst nicht genauer bestimmbaren – Kampfeinsatz aufzubrechen. Wir baten die Arbeitervertreter, Spenden zu sammeln; das Unternehmen musste ja irgendwie finanziert werden. Gleich darauf reiste Abu Dschihad ab. Da der Nahe Osten von keiner Fluggesellschaft mehr angeflogen wurde, entschloss er sich, mit dem Zug über Istanbul nach Damaskus zu fahren, und versprach, sich in den nächsten Tagen zu melden.
    Nabil hatte ja nicht unrecht. Andererseits – alles, was wir den Israelis entgegenzusetzen hatten, war der Wille, niemals aufzugeben, uns nicht einmal durch einen solchen Sieg beeindrucken zu lassen. Zu einer Demonstration der Stärke würde es nicht reichen, aber zu einer Demonstration der Unbeugsamkeit. In dieser Art redete ich zwei Tage später zu den Teilnehmern einer allgemeinen Versammlung des Studentenvereins, und mehr als hundert Freiwillige meldeten sich.
    Die Begeisterung hielt

Weitere Kostenlose Bücher