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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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mich der Fatah verpflichtet. Ich sage dir das, weil ich Vertrauen zu dir habe.«
    Hayel fiel aus allen Wolken. Er verlangte, irgendetwas Schriftliches zu sehen, und ich reichte ihm eine Ausgabe von Filistinuna . »Alles pure Emotion«, sagte er nach einem kurzen Blick und legte das Heft beiseite. »Besitzt du irgendwelche persönlichen Dokumente, gibt es einen Schriftverkehr zwischen euch?« Ich zeigte ihm einen Brief von Abu Dschihad. Er las ihn, las ihn ein weiteres Mal und sagte endlich: »Ich mache dir einen Vorschlag. Diejenige Organisation, die als Erste den bewaffneten Kampf aufnimmt, soll unsere gemeinsame politische Heimat werden. Egal, wie sie heißt.« Damit war ich einverstanden. Wir umarmten uns. Ich wusste, dass wir die Ersten sein würden. Ich telefonierte mit Abu Dschihad und bat ihn, jemanden zu schicken, der mit Hani und Hayel sprechen sollte.
    Wenig später rief mich Abu Dschihad nach Algier. Er ließ eine gewisse Verlegenheit erkennen. »Weißt du«, sagte er, »diese zwei sind sehr gut. Sie wollen auch zu uns kommen. Aber … du bist zu jung, um die Führung zu übernehmen.« Mir fiel ein Stein vom Herzen. Die beiden waren ja deutlich älter als ich, und meine Erziehung verlangte, Älteren den Vorrang einzuräumen. Am Ende einigten wir uns darauf, dass Hayel, Hani und ich gemeinsam die Führung in Deutschland übernehmen sollten.
    Ich war stolz auf meinen Erfolg. Die beiden waren sozusagen große Fische – wie groß, das sollte sich bald zeigen. Auf diese Weise bildete sich bereits im Verlauf meines ersten Jahres in Frankfurt jene Gruppe heraus, die Arafat später als »die deutsche Bande« bezeichnen würde. Außer mir gehörten dazu
mein alter Freund Amin el-Hindi, der später zum Geheimdienstchef der Fatah in Gaza aufstieg, Hayel Abdel-Hamid, der lange Jahre dem Zentralkomitee der Fatah angehörte, Hani Hassan, der es zum Chef der Außenpolitik brachte, und in gewisser Weise auch jemand, der bisher noch nicht in Erscheinung getreten ist, nämlich Nabil Nassar.
    Nabil, bald mein engster Mitarbeiter, entwickelte sich rasch zur intellektuell prägenden Figur innerhalb meines palästinensischen Freundeskreises, zu einer Art Mentor und treibenden Kraft. Schon durch seine Herkunft fiel Nabil aus der Reihe. Seine Mutter war eine palästinensische Jüdin aus Jerusalem, sein Vater palästinensischer Christ. Nabil selbst war Christ wie sein Vater (was außer mir niemand wusste, genauso wie sonst keinem bekannt war, dass er in Wirklichkeit Robert hieß). Der israelischen Politik gegenüber extrem kritisch eingestellt, also entschieden antizionistisch, verfügte er zugleich über ein umfangreiches Wissen, was die Geschichte der Juden anging. Er studierte Medizin und Philosophie, sprach Deutsch besser als die meisten Araber, beherrschte Englisch und Französisch und zeichnete sich, abgesehen von seiner Intelligenz und Bildung, durch einen nie versagenden Witz aus, der eine Tendenz zum Fantastischen, Absurden hatte. Er trug eine Brille, dick und schwer wie ein Ziegelstein, die seine Augenpartie dermaßen vergrößerte, dass es aussah, als könne er die Außenwelt nicht anders als mit erstaunt aufgerissenen Augen zur Kenntnis nehmen. »Weißt du, Abdallah«, sagte er mir, »wir sind Ausländer. Wenn du in Deutschland etwas erreichen willst, musst du nicht nur die deutsche Sprache perfekt beherrschen. Du musst auch mit der deutschen Geschichte dieses Jahrhunderts vertraut sein. Und du musst dich außerdem in der Geschichte der Juden auskennen.« Niemand vermochte mich besser in die Mentalität und Denkweise dieses Nachkriegsdeutschlands einzuführen als er. Von Nabil lernte ich, mich in die Deutschen hineinzudenken.

    Ich arbeitete also mit Hayel und Hani im Führungskomitee zusammen. Zwei gegensätzlichere Menschen hätte es kaum geben können, aber jeder war auf seine Weise wirklich gut. An Hayel gefiel mir besonders seine Selbstlosigkeit. Er hielt sich im Hintergrund, übte aber durch seine korrekte, geradlinige und gewissenhafte Art einen starken Einfluss aus. Hani war wie ein Feuerwerk. Ein großartiger Redner, der das Rampenlicht liebte – von ihm habe ich gelernt, mich rhetorisch gelungen auf Arabisch auszudrücken. Reibereien zwischen den beiden konnten nicht ausbleiben, trotzdem waren wir in dieser Kombination bald sehr erfolgreich.
    Die erste Arbeit, die auf uns zukam, bestand darin, überall dort, wo Palästinenser lebten, Studentenvereine und Arbeitervereine aufzubauen. Es gelang uns, einen

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