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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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Israel verfolgte mit dieser verschleiernden Sprachregelung ein doppeltes Ziel: Mit der Fiktion, man habe lediglich einen weiteren Teil der alten Heimat zurückerobert, sollte einerseits das Gewissen der eigenen Bevölkerung beruhigt werden, und andererseits wurden die Palästinenser auf diese Weise zu Fremden auf ihrem eigenen Boden gestempelt, zu Fremdkörpern, die allenfalls auf Duldung hoffen konnten.
    Wieder zeigte sich, dass Israel gegenüber den Palästinensern nur die Politik der eisernen Faust kannte. Es gibt kein Volk, das sich unablässige Demütigungen gefallen lässt, und ein Volk mit der langen Widerstandsgeschichte der Palästinenser
fügt sich besonders schwer in die Rolle des still leidenden Opfers. Mit anderen Worten: Die Entrechtungspolitik Israels war Wasser auf die Mühlen der Befreiungsbewegungen. Die Leute wurden von den Israelis geradezu in die Arme derer getrieben, die jetzt erst recht den bewaffneten Kampf propagierten. Schon damals tauchte der Verdacht auf, Israel brauche die Bedrohung durch einen äußeren Feind.
    Angesichts der allgemeinen Lage in den besetzten Gebieten erschien unsere Freilassung wie eine Vorzugsbehandlung, die misstrauisch machen musste. Jedenfalls zerbrachen wir uns noch im Gefängnis von Bethlehem die Köpfe darüber, welche Gründe sie dafür gehabt haben könnten, uns einfach laufen zu lassen. Hielten uns die Israelis zugute, dass wir gar nicht zum Einsatz gekommen waren? War es eine Demonstration ihres unerschütterlichen Selbstbewusstseins? Vielleicht konnten sie sich einfach unsere Freilassung angesichts ihrer Stärke leisten. Wahrscheinlicher allerdings war, dass sie uns damit bei unseren eigenen Leuten in Verruf bringen wollten. Lag es nicht nahe, dass sie einen Preis für unsere Freilassung verlangt hatten? Der Verdacht, wir könnten uns zu Gegenleistungen verpflichtet haben, musste bei unseren Freunden in Deutschland jedenfalls aufkommen. Und er kam auf.
    Kaum nach Frankfurt zurückgekehrt, stellte ich fest, dass im Studentenverein über mich geredet wurde. Dass man im Studentenverein meine Mitarbeit plötzlich nicht mehr so gern sah wie früher. »Die Israelis haben Abdallah freigelassen? Was steckt dahinter? Nicht, dass wir ihm misstrauen würden, aber um dem Gerede ein Ende zu setzen …« Auf Arabisch sagt man: Durch das gute Wort schimmert das böse durch. Selbst ein guter Freund riet mir, mich einstweilen jeder politischen Betätigung zu enthalten, um Irritationen zu vermeiden und Gerüchten entgegenzuwirken. Und dann tauchte jemand bei mir auf, der es unverblümt aussprach: »Abdallah, du solltest besser in die DDR gehen.«

    Ich hatte nicht die Absicht, in die DDR zu gehen. Ich war nicht einmal sicher, ob ich in Frankfurt bleiben sollte. Wenn ich ehrlich war, stellte sich mir die Frage, welche Absicht ich jetzt überhaupt hatte – als vermeintliches Sicherheitsrisiko, als gescheiterter Freiheitskämpfer, als erfolgloser Student? Aufgeben? Aussteigen? Ich bin kein Einzelgänger. Isoliert zu sein, abgeschnitten zu sein – alles in mir sträubt sich gegen diese Vorstellung. Mein Familieninstinkt lässt mir keine andere Wahl, als den Anschluss an eine Gruppe zu suchen, in der zumindest dieser grundsätzliche Zusammenhalt herrscht, der eine Familie zu einem Ort der Geborgenheit macht. Wie die Dinge lagen, war mein Verhältnis zu meinen Freunden in Frankfurt im Augenblick gestört. Ihr Misstrauen verletzte mich, aber was mir noch weniger Ruhe ließ, war der Misserfolg meines Einsatzes in Palästina. Ich beschloss daher, nach Damaskus zu fliegen, wo eine Gruppe von Männern saß, mit der ich als Allererstes ins Reine kommen musste, die Führungsspitze der Fatah. Ich hatte vor, mit ihnen über die Ursachen für das Scheitern unseres Kommandounternehmens zu sprechen. Heute meine ich allerdings, dass mich ein anderes Problem damals noch stärker bewegte, nämlich die Frage: Wo gehöre ich hin?
    Ich erkundigte mich bei den drei anderen, ob sie mitfliegen würden. Zuhair und Adnan ließen mich wissen, dass sie sich künftig auf ihr Studium konzentrieren wollten. Said war der Einzige, der sich vorstellen konnte, weiterzukämpfen. Im Februar 1968 begleitete er mich nach Damaskus.
    Ein paar Worte zu Said an dieser Stelle. Said war der Alain-Delon-Typ. Er sah unverschämt gut aus, lief immer mit Sonnenbrille herum, zeichnete sich aber vor allem durch ein eigenartiges Verhältnis zur Wirklichkeit aus. Mit der Zeit kamen wir dahinter, dass er sich viele seiner

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