Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik
weiteres Mal abgewendet wurde. Unglaubliche achtundachtzig Tage lang haben die Palästinenser dort in Beirut ausgehalten, zwischen Ruinen und Toten auf einem einzigen Quadratkilometer.
Wie Abu Iyad glaubten alle diese Männer der ersten Stunde fest an das Unmögliche. Deshalb umgab jeden von ihnen eine
Aura der Ernsthaftigkeit, der Entschlossenheit und Opferbereitschaft. Wenn sie etwas von späteren Generationen innerhalb der palästinensischen Befreiungsbewegung unterschied, dann dieser Glutkern absoluter Ernsthaftigkeit.
»Ha-ha-ha, al Fatah ist da!«
Die Spekulationen über unsere Freilassung hielten an, als ich im Februar 1968 nach Frankfurt zurückkam. Die anderen drei waren aus der Schusslinie, weil sie sich aus der politischen Arbeit zurückgezogen hatten, aber über mich zirkulierten weiterhin Gerüchte. Offenbar hatten es einige auf meinen Platz in der Fatah abgesehen.
Bald nach meiner Rückkehr besuchten mich die Vorstände der Arbeitervereine. »Wir stehen hinter dir«, erklärten sie. Die Arbeiter machten nicht viele Worte und sprachen mir unumwunden ihr Vertrauen aus – nach den etwas gequälten Solidaritätsbekundungen, die in letzter Zeit aus meinem studentischen Freundeskreis gekommen waren, empfand ich ihre direkte Art als außerordentlich wohltuend. Zwei von ihnen hatten sich im letzten Sommer der Gruppe angeschlossen, mit der ich zur militärischen Ausbildung nach Algerien gefahren war, und beide hatte ich zur Heimfahrt überredet, nachdem ich dahintergekommen war, dass sie Familienväter waren. Von meiner Integrität überzeugt, rieten sie mir jetzt sogar, für den Vorstand der GUPS zu kandidieren.
In jenem Jahr 1968 hatten sich die deutsche und die österreichische GUPS zu einer Konföderation zusammengeschlossen. Bei den bevorstehenden Wahlen ging es um den Vorsitz des Gesamtverbandes. Sehr zum Missvergnügen einiger Kommilitonen entschloss ich mich zur Kandidatur, bemühte mich, in Vorträgen und persönlichen Gesprächen die Zweifel an meinem Verhalten im Gefängnis aus der Welt zu schaffen, und ließ die Sache auf mich zukommen.
Die Wahlveranstaltung war offen, sodass auch die Arbeiter als Gäste teilnehmen konnten, und tatsächlich kamen sie in großer Zahl. Ich hielt mich nicht mit einer langen Verteidigungsrede auf. In fünf Minuten hatte ich alles gesagt, was von Belang war, nämlich dass ich in Palästina gewesen sei, das Pech gehabt habe, verhaftet, und das Glück, freigelassen worden zu sein, dass ich weiterhin den bewaffneten Kampf unterstütze und entschlossen sei, für den Rest meines Lebens für Palästina zu arbeiten. Bei der folgenden Abstimmung erhielt mein Gegenkandidat vier Stimmen. Der Rest der insgesamt sechzig Stimmen entfiel auf mich.
Wie so oft in der Vergangenheit – gerade in den letzten Monaten –, hätte ich mir jetzt Hayel mit seiner Erfahrung, seiner Loyalität zurückgewünscht. Hayel war nämlich 1964 bereits nach Kairo gewechselt, wo Tausende von Palästinensern studierten, hatte in der Nachfolge Arafats die Leitung des dortigen Studentenvereins übernommen und wandte seither, als geduldiger Mensch und talentierter Organisator, seine deutschen Erfahrungen in Kairo an. Mit derselben Beharrlichkeit spann er seine Fäden zur ägyptischen Regierung. Genauso musste ich ohne Hanis Unterstützung auskommen, denn auch er war mittlerweile für das Zentralkomitee tätig. Geblieben war mir von der alten Mannschaft nur Nabil, der mit seinem hervorragenden Deutsch und seinem Gespür für deutsche Stimmungen und Befindlichkeiten jetzt zu meinem wichtigsten Mitarbeiter wurde. Ich hatte ja vor, ganz anders als meine Vorgänger Hani und Amin an die Sache heranzugehen. Ich wollte Aufmerksamkeit erregen. Ich wollte mich in Deutschland auf die Suche nach Verbündeten machen. Ich wollte den Arbeiter- und Studentenverein in ein politisches Instrument verwandeln.
Deshalb organisierte ich den Vorstand nach dem Vorbild einer Regierung und gliederte ihn in Ressorts auf – einer war für die Außenbeziehungen zuständig, einer für Information,
einer für Finanzen und so weiter. (Später, als außenpolitischer Sprecher der Fatah, übernahm ich dieses »Frankfurter« Modell.) Mein Freund Mahmud Ala-Eddin übernahm die Sekretariatsarbeit, und wir vereinbarten, von nun an keinen Brief, keine Anfrage unbeantwortet zu lassen. (1975 trat Mahmud als mein Stellvertreter ins Bonner PLO-Büro ein; unsere Zusammenarbeit sollte sich über weitere dreißig Jahre erstrecken.) Einmal
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