Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik
dieser Stelle die Entstehung der PLO (Palestine Liberation Organization) nachgetragen, die von nun an eine immer größere Rolle spielen sollte.
Die PLO ist keine palästinensische Erfindung. Sie wurde von dem großen Hoffnungsträger jener Zeit, dem Ägypter Gamal Abdel Nasser, ins Leben gerufen, der 1952 zusammen mit anderen Offizieren König Faruk gestürzt hatte und zwei Jahre später ägyptischer Staatspräsident wurde. Nasser faszinierte die Massen mit seiner Vision einer einzigen, großen arabischen Nation, er war ein Held, ein Idol, auch in den Augen der Palästinenser. Wurde eine Nasser-Rede übertragen, leerten sich nicht nur in Ägypten die Straßen, jeder suchte ein Kaffeehaus oder eine Familie auf, die einen Rundfunkempfänger besaß, und alles lauschte. Als Nasser sich 1958 auf die Vereinigte Arabische Republik (VAR) einließ, einen Zusammenschluss von Syrien und Ägypten, schien sich der Traum der Palästinenser, der Traum vieler Araber zu erfüllen, doch die VAR hatte nicht lange Bestand. 1961 kam es zu einem Putschversuch in Syrien, und das Land trennte sich wieder von Ägypten.
Um sich nach diesem Fehlschlag erneut als Führer der arabischen Staaten zu profilieren, machte Nasser nun das Schicksal der Palästinenser zu seinem Hauptanliegen. In dieser Atmosphäre ägyptischen Wohlwollens schlossen sich sehr viele Palästinenser, so wie ich, den unterschiedlichsten Widerstandsbewegungen an. Nasser allerdings hielt von diesen Splittergruppen
nicht viel, seine Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass Israel nur mit vereinten Kräften zu besiegen wäre. Ihm schwebte eine palästinensische Einheitspartei vor, die den Palästinensern erlauben würde, mit einer Stimme – und vor allem mit ihrer eigenen – zu sprechen. Das Ergebnis der Überlegungen, die Nasser mit vielen anderen arabischen Führern gemeinsam anstellte, hieß PLO.
Die PLO war zunächst ein Kunstgebilde, erwachsen aus Nassers Sorge, in der Palästinafrage durch Organisationen wie die Fatah an den Rand gedrängt zu werden, aber auch aus seinem aufrichtigen Bemühen, alle Strömungen des palästinensischen Widerstands zu koordinieren. Es war jedenfalls eine neue Form, der ihr erster Vorsitzender, der Rechtsanwalt Achmed Shukeiri, mit der Charta der PLO einen Inhalt zu geben verstand.
Diese Satzung stammte aus Shukeiris Feder, und sie war so verfasst, dass es jeder Nachfolger schwer haben würde, Kompromisse mit Israel einzugehen. Im Grunde bezeichnete sie unrealistische Maximalpositionen, abgefasst in einer aufwieglerischen Sprache, die aber vielen palästinensischen Flüchtlingen aus der Seele sprach. So hieß es darin zum Beispiel, dass alle Juden, die nach 1948 ins Land gekommen seien, in ihre Ursprungsländer zurückgeschickt werden sollten. Als Ziel deklarierte Shukeiri zwar einen demokratischen Staat, der das Zusammenleben von Juden, Christen und Muslimen ermögliche, doch sollten die palästinensischen Araber darin die Mehrheit bilden. Bestechend war an dieser PLO vor allem eins: Im Parlament der PLO, dem sogenannten Nationalrat, waren alle gesellschaftlichen Gruppen des palästinensischen Volkes vertreten. Nach 1968 gehörten ihm sogar 37 Frauen an, sodass der Nationalrat tatsächlich die Gesamtheit der palästinensischen Gesellschaft in einem verkleinerten Maßstab abbildete und dadurch als Kristallisationspunkt für die palästinensische Identität wirkte. Die Posten im Exekutivkomitee
hingegen besetzte Shukeiri, der die PLO wie ein Diktator leitete, nach eigenem Ermessen.
Im Mai 1964 fand in Ost-Jerusalem die Gründungskonferenz der PLO statt, und die Fatah war klug – und politisch reif – genug, die PLO nicht als Konkurrenzunternehmen zu betrachten und abzulehnen. Vertreter der Fatah nahmen an der Sitzung in Jerusalem teil, aber als Privatpersonen, als unabhängige Repräsentanten Palästinas. Um Reibereien mit Nasser und Shukeiri zu vermeiden, verschob Arafat den Schritt aus dem Untergrund an die Öffentlichkeit und proklamierte die Fatah erst im folgenden Jahr.
Die PLO existierte nun also als Dachverband, erfüllte jedoch nicht die Erwartungen Nassers – das Desaster des Sechstagekriegs von 1967 hatte ihn unter anderem darüber belehrt, dass Shukeiris PLO militärisch bedeutungslos war. Dann kam es 1968 zur Schlacht von Karame, und mit einem Mal fand Nasser Gefallen an der Fatah. Mein Freund Hayel nutzte die Gunst der Stunde und arrangierte ein Treffen mit Nasser in Kairo, an dem Arafat, Abu Said, Abu Iyad und Kadumi
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