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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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Auftrag, mich zu beschützen, sagte er. Was ihm keiner abnahm. Plötzlich erkannte einer in ihm einen Palästinenser, der erst jüngst aus Beirut eingetroffen war, und jetzt erklärte der Mann seelenruhig, er habe mich erschießen wollen – ein zweiter Mann hätte ihm eine Pistole zustecken, drei weitere Männer hätten ihm den Weg freimachen sollen. Er gab es einfach zu, sozusagen kalt lächelnd. Wir ließen ihn laufen. Was sollten wir anderes machen? Hätten wir die Polizei eingeschaltet, wäre ich von Stund an so gut wie tot gewesen.
    Immer wieder stand man fassungslos vor der Kaltblütigkeit dieser Killer. Aber es war eben so, dass vor Abu Nidal jeder Angst hatte. Er leitete eine straff geführte Gangsterorganisation, verfügte über Geld, mietete Killer an, die ihren Job verstanden, und seine Leute traten auch deshalb so abgebrüht
und geradezu arrogant auf, weil sie sicher sein konnten, von Abu Nidal in jedem Fall herausgeholt zu werden. Sie mordeten auf offener Straße, hielten dann einfach das nächste Taxi an, stiegen ein und fuhren weg. Der Mann, der auf mich angesetzt war, gab seinen Auftrag schon aus Überheblichkeit zu, im Vertrauen darauf, dass die Gewissenlosigkeit seines Auftraggebers ihm absolute Immunität verlieh.
    Handelte Abu Nidal auf eigene Rechnung? Das wurde nie geklärt, aber Indizien sprachen dagegen. 1982 suchte Israel nach einem Grund für den Einmarsch in den Libanon. Diesen Grund lieferte ein Attentat auf den israelischen Botschafter in London. Der Tathergang entsprach dem üblichen Vorgehen der Killer Abu Nidals, aber der englische Geheimdienst stieß bei seiner Untersuchung auf Hinweise dafür, dass die Attentäter im Auftrag des Mossad gehandelt hatten. Drei Tage nach dem Anschlag, den der israelische Botschafter schwer verletzt überlebt hatte, griff Israel den Libanon an.
    Und wie verhielt es sich mit dem Mord an Issam Sartawi 1983 im portugiesischen Albufeira? Zwei Killer Abu Nidals hatten sich damals, während einer Tagung der Sozialistischen Internationalen, einer Gruppe von Männern genähert, zu der außer dem PLO-Mitglied Issam Sartawi, dem nordrheinwestfälischen Ministerpräsidenten Johannes Rau und Hans-Jürgen Wischnewski auch der israelische Außenminister Schimon Peres gehörte. Wenn es Abu Nidal wirklich um den Kampf gegen Israel gegangen wäre, hätte das Opfer in diesem Fall nicht Schimon Peres heißen müssen? Warum erschossen die Attentäter nur den Vertreter der PLO?
    Es ist nicht völlig von der Hand zu weisen, dass Abu Nidal die Ermordungskampagne der Israelis fortsetzte, nachdem viele europäische Staaten gegen das Mordprogramm des Mossad protestiert hatten, aus Sorge, ihre Hauptstädte könnten zum Schlachtfeld für israelische und palästinensische Killer werden. Zeitweilig hatte sich eine gespenstische Atmosphäre
in den diplomatischen Kreisen Europas breitgemacht. Die Umtriebe eines Abu Nidal waren in jedem Fall im Sinne der israelischen Politik, sie spielten den Israelis sogar in zweierlei Hinsicht in die Hände: indem sie ihnen immer wieder neue Gründe verschafften, uns als Terroristen zu diffamieren, und indem sie die gesprächsbereiten Palästinenser aus dem Weg räumten. Den Mythos der Bedrohung lebendig zu erhalten war ja stets eines der Hauptziele der israelischen Politik.
    Wenn ich mir heute die Namensliste der getöteten PLO-Vertreter anschaue, muss ich feststellen: Ich bin der Einzige, der darauf fehlt, denn dieser Liste muss noch Ali Yasin hinzugefügt werden, der am 15. Juni 1979 in seinem Haus ermordete PLO-Vertreter in Kuwait, und mein Freund und Kollege Naim Khader, der am 1. Juni 1981 in Brüssel auf offener Straße erschossen wurde. Naim, ein Christ, war in Belgien so beliebt, dass die Brüsseler von ihm mit einem feierlichen Gottesdienst Abschied nahmen.
    Aber auch ich war nach dem gescheiterten Attentat in Berlin noch keineswegs außer Gefahr. Eines Tages betrat ich mein Bonner Büro und stellte fest, dass Schreibtische und Schränke durchwühlt worden waren. Ein junger Mann, der bei mir putzte, gestand daraufhin, den Schlüssel zu meinem Büro einem israelischen Kontaktmann ausgehändigt zu haben. Ich schickte ihn zur Polizei. Als Nächstes erhielt ich einen Anruf vom Polizeipräsidenten der Stadt Bonn, der mir Begleitschutz anbot, und, als ich mich immer noch sträubte, mit den Worten in mich drang: »Herr Frangi, wollen Sie, dass Ihre Frau eines Tages mit den Kindern allein dasteht?« Er hatte recht. Ich war in Gefahr. Schweren

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