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Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik

Titel: Der Gesandte - Mein Leben fuer Palaestina Hinter den Kulissen der Nahost-Politik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abdallah Frangi
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Herzens willigte ich ein.
    Von 1982 an wurde unser Haus rund um die Uhr bewacht, und Leibwächter begleiteten mich auf Schritt und Tritt. Es fiel mir nicht leicht, mich an ihre ständige Präsenz zu gewöhnen, aber mit den Jahren wurden die Männer vom Begleitschutz
fast zu einem Teil der Familie. Unüberwindlich aber blieb meine Abneigung gegen gepanzerte Fahrzeuge. Das Gefühl, in einen Käfig eingesperrt zu sein, vertrage ich, wie gesagt, nicht, und ich benutzte den gepanzerten Wagen vor meiner Haustür nur selten.

Spannungen mit Syrien
    Issam Sartawi … Arafat hatte ihn übrigens gewarnt, nach Albufeira zu fahren. Jeder konnte sich denken, dass er für Abu Nidal ein rotes Tuch sein musste. Nach seiner Ermordung zeigten sie mir während eines Fernsehinterviews Bilder seines hingestreckten Leichnams, kurz nach der Tat aufgenommen, und der Anblick war so grauenhaft, dass ich das Interview beinahe abgebrochen hätte.
    Issam Sartawi waren zahlreiche Etappensiege im Kampf der PLO um die Festung Europa zu verdanken. Niemand nutzte die Gunst der Stunde energischer als er, und die Stunde war günstig. Nach der Anerkennung der PLO durch die Vereinten Nationen wurden in über hundert Ländern Informationsbüros der PLO eröffnet, auch in nahezu allen westeuropäischen Ländern; Griechenland und Portugal, die noch nicht der Europäischen Gemeinschaft angehörten, sowie die Türkei nahmen schon damals diplomatische Beziehungen zur PLO auf. Im Juli 1979 kam es dann zum Durchbruch auf europäischer Ebene, als sich der ehemalige deutsche Bundeskanzler Willy Brandt und der österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky in Wien mit Arafat zu Gesprächen trafen. Die meisten westeuropäischen Medien sahen in dieser historischen Begegnung, an der ich teilgenommen hatte, eine faktische Anerkennung der PLO, und Theo Sommer sprach in der Zeit gar von einer »moralischen Verpflichtung der Deutschen […] auch gegenüber den Palästinensern, die ja ohne Hitler wohl noch heute in ihrer angestammten Heimat säßen«. Initiator dieses Treffens war kein anderer als Issam Sartawi gewesen.
Als Arafats Maschine vom Wiener Flughafen abhob, schaute Sartawi ihr nach, ließ plötzlich den rechten Arm kreisen und brüllte in ungestümer Begeisterung: »Ab! Los! Bye-bye! Viel Glück!« Er fühlte sich bei diesem Freudenausbruch unbeobachtet, aber ich stand in der Nähe. Ein unvergessliches Bild.
    Von diesem Tag an bröckelte die europäische Ablehnungsfront gegen Arafat. Dass ein Willy Brandt und ein Bruno Kreisky sich nicht scheuten, mit Arafat zu reden, war für ihn die beste Visitenkarte. Vom Prestigegewinn abgesehen sprang bei den Wiener Gesprächen für die Fatah die konsultative Mitgliedschaft in der Sozialistischen Internationale heraus, deren Präsident Willy Brandt war. 1980 bezog auch die Europäische Gemeinschaft zum Nahostproblem Stellung. In ihrer »Erklärung von Venedig« erkannte sie das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser an und forderte die Beteiligung der PLO am Friedensprozess – zwei Positionen, die vom deutschen Außenminister Hans-Dietrich Genscher mit Nachdruck vertreten worden waren. Kein Wort allerdings zur Frage einer palästinensischen Staatsgründung.
    In der Praxis folgte den vielen schönen Worten jedoch nicht viel, weil die USA den Europäern jeden politischen Spielraum im Nahen Osten verwehrten. Die USA hielten (und halten bis heute) die Hand über den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern, es ist sozusagen ihr Konflikt. Speziell Bonn und Paris wurden vor eigenen Initiativen gewarnt, und auch die »Erklärung von Venedig« wurde in Washington mit deutlichem Missfallen aufgenommen. Daran war einstweilen nichts zu ändern. Europa hingegen war in einem Wandel begriffen, den der rastlose Issam Sartawi beschleunigen wollte, und durch seinen unbezähmbaren Vorwärtsdrang brachte er immer wieder Bewegung in die palästinensische Diplomatie.
    Wir liefen uns bis zu seinem Tod in Albufeira am 10. April 1983 häufig über den Weg. Ich schätzte ihn als scharfsinnigen, analytischen Denker; seine Art, Politik zu machen, war mir
indessen fremd, denn Sartawi war, im Gegensatz zu mir, der Typ des idealistischen Einzelkämpfers. In jenen Jahren hatte er sich bereits sehr weit vorgewagt, ohne sich mit dem Zentralkomitee der Fatah abgestimmt zu haben, und spann mit Eifer seine Fäden zu israelischen wie europäischen Politikern, brachte nicht nur Zögernde, sondern auch Gegner zusammen. Sartawi pflegte einen

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